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Die Herrin der Jacken, Mäntel und Taschen schaut gern in die Menge

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Tamara Schnakenberg (30) ist die Garderobenfrau im Heilbronner Club Creme 21

Von Katja Feiler
Die anderen amüsieren sich, Tamara Schnakenberg arbeitet: Garderobendamen lernen viele Menschen kennen.
Die anderen amüsieren sich, Tamara Schnakenberg arbeitet: Garderobendamen lernen viele Menschen kennen.  Foto: Von Ralf Seidel

Gewusst wo. Rechts rum, links rum, oben, unten. Im Kopf zu haben, wo welche Nummer hängt, ist die Krux. Sonst geht in der Garderobe im Club Creme 21 in Heilbronn alles schief - und die Garderobenfrau Tamara Schnakenberg käme ganz schön in Stress. Seit mehr als einem Jahr ist im Untergeschoss des Clubs das Reich der 30-Jährigen. Sie ist Herrin über Markenschilder, Mäntel, Taschen, Pullis und was die Leute sonst noch alles beim Tanzen nicht dabei haben wollen. Oder überhaupt nicht mehr wollen? Immer wieder wundert sich die Russlanddeutsche, wie viele Jacken und Pullis noch da sind, wenn sie geht. Manche wärmende Utensilie hing schon da, als sie den Job übernommen hat. "Andere kommen am nächsten Tag mit dem Märkchen und holen ihre Jacke ab." Neulich erst hat dauernd das Handy in einer vergessenen Jacke geklingelt. Rangegangen ist Tamara Schnakenberg natürlich nicht. Obwohl sie schon neugierig ist. Ist nicht viel los im Club oder die große Besucherwelle verebbt, sitzt sie deshalb auf ihrem sofa-artigen Stuhl hinter dem Tisch, über den die Kunden ihre Mäntel reichen, und schaut. Zu sehen gibt's genügend in einer Disko. Paare, die sich finden, flirten, Freundinnen beim Schwärmen, Jungs beim Prahlen, Pärchen beim Streiten. Wie das ihr gut bekannte Paar, das jeden Samstag kommt: neulich total im Zank. "Da war ich am kommenden Samstag schon gespannt, ob sie wiederkommen. Und wenn ja, zusammen oder vielleicht getrennt?" Wie ein Fortsetzungsroman ist das für die Neckarsulmerin. Ein Happy End diesmal: Sie kamen wieder zu zweit.Die anderen amüsieren sich, Tamara Schnakenberg arbeitet. Mancher, der ihr seine Jacke rüberreicht, ist nur wenig jünger als sie, oder sogar älter, wie bei dem Logo-Partys am Donnerstag. Da läuft 80er Jahre Musik. "Komisch ist das schon." Eine andere Welt. Das denkt die Frau aus Sibirien vor allem wenn sie die gerade mal volljährigen Mädchen sieht. Mit 18 hat Tamara Schnakenberg geheiratet, ihr erstes Kind bekommen. Inzwischen sind zu der zwölfjährigen Valentina noch Albert (9) und Denis (1) hinzugekommen. Das ist halt so, zuckt die Mutter mit den Schultern. "Auch in Russland hat sich seitdem sicher was verändert. Aber so hätte ich nicht rumlaufen dürfen damals." Obwohl die bauchfreien Tops doch an mancher gut aussehen, gesteht sie ein. Um 22.30 Uhr ist Arbeitsbeginn. Ende: am Wochenende um halb fünf, freitagfrüh um 3.30 Uhr. Das ist Denis und seinen Geschwistern egal. Sie wachen trotzdem morgens früh auf. Müssen trotzdem zur Schule. "Ich schlafe nicht viel." Aber seit ihr Mann arbeitslos ist, kann sie sich mittags wenigstens manchmal hinlegen. Ein bisschen Schlaf vorholen, das klappt auch vor der Arbeit. "Ich muss mich nur ins Bett legen und ein Buch lesen. Schon bin ich weg." Wie gut das hinhaut, belegt der Nachsatz: "Den russischen Roman lese ich seit einem Jahr."

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