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Trotz "Siegeszugs" Moll-Töne angeschlagen

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Bewährungshilfeverein Jugendhilfe Unterland feiert 50. Geburtstag - Wohnheim durch sinkende Einnahmen gefährdet

Von Carsten Friese

60 bis 80 Prozent nannte Harriehausen als Richtgröße für diejenigen, die nach erfolgreicher Bewährungszeit künftig straffrei bleiben. Trotz des Missverhältnisses, dass die 18 Bewährungshelfer im Landgerichtsbezirk heute im Schnitt je 104 "Probanden" zu betreuen hätten, habe sich der Bewährungsgedanke nach Expertenmeinung "in hohem Maße bewährt".

50 Jahre ist es her, dass unter dem Vorsitz des damaligen Landgerichtspräsidenten Edgar Zais der Verein Jugendhilfe Unterland gegründet wurde, um "gefährdete Minderjährige zu betreuen, vor allem im Rahmen der Bewährungshilfe". Den Bewährungshelfern angemessene Handgelder für die Probanden zur Verfügung stellen, Darlehen zur Schuldentilgung gewähren, Einzelzimmer anmieten, bei Job- und Wohnungssuche helfen waren Schwerpunkte der Arbeit. Ende der 70er Jahre kamen die sozialpädagogisch geleitete Wohngemeinschaft in der Weinsberger Straße und eine Übergangswohngemeinschaft hinzu. 18 bis 26 Jahre alte junge Männer werden im Wohnheim betreut, viele Einzelgespräche führt Heimleiter Andreas Zilt. Die meisten kommen direkt aus dem Gefängnis und haben kein Obdach. Bis zu 18 Monate bleiben sie. "Es ist oft die letzte Möglichkeit, den Fuß in die Tür zu bekommen. Wenn sie auf die 30 zugehen, ist es extrem schwierig, dem Lebensweg noch mal eine andere Richtung zu geben", sagte Zilt.

Durch ständig sinkende Einnahmen des Vereins sind die Wohngruppen in der Existenz jedoch gefährdet. Pflegesätze vom Sozialamt reichen laut Zilt nicht, um die Kosten zu decken. Von Gerichten und Staatsanwaltschaft verhängte Bußgelder, mit denen sich der Verein Jugendhilfe Unterland zum Teil finanziert, werden weniger, weil es immer mehr Straftäter gibt, die gegen sie verhängte Bußgelder nicht bezahlen können. Der rund 100 Mitglieder starke Verein "hat Mühe", sagte Harriehausen, "Einnahmen und Ausgaben auszugleichen".

Dass sich der Einsatz lohnt, stellte ein früherer Proband beim Festakt fest. Wegen Unterschlagung verurteilt, fand er durch seine Bewährungshelferin wieder einen Job und konnte mit seiner Familie aus einem Obdachlosenheim in eine eigene Wohnung ziehen. Die Schulden sind heute getilgt. "Ich hätte nie gedacht", sagte er, "dass ich so viel Unterstützung erhalten würde."

Festredner Prof. Günter Rieger forderte, die Bewährungshilfe "aus der Tradition" zu erneuern. Die geplante Privatisierung dürfe nicht rein nach betriebswirtschaftlichen Kriterien erfolgen. Ehrenamtliche Ressourcen und die soziale Verankerung der Vereine seien nicht zu ersetzen. "Für soziale Arbeit mit Randgruppen gibt es keinen Markt." Eine gemeinnützige GmbH, in der die Vereine eigenständig bleiben und in die Mitbestimmung eingebunden werden, schlug er als Modell vor.

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