"In Italien ist Pferdeschweiß im Wein durchaus gewünscht"
Neuer Leiter der amtlichen Qualitätsweinprüfung: Von rund 14 000 Partien Württemberger im Jahr fallen nur drei Prozent durch die Prüfung

Was heißt beim Wein Qualität?
Schiefer: Ein Optimum an Reintönigkeit und Sortentypizität, negativ gesagt: ohne Fehler.
Was sind typische Weinfehler?
Schiefer: Untypischer Alterston, kurz UTA genannt, flüchtige Säure, Acetaldehyd, oxidativer Ton oder etwa auch Brettanomyces.
Wie sagen Sie als Schwabe dazu?
Schiefer: Nasser Lappen, Essigstich, Sherryton, luftig, Pferdeschweiß.
Wie hoch ist bei der Qualitätsweinprüfung die Anstellungs-, wie hoch die Durchfallquote?
Schiefer: In Württemberg werden fast 100 Prozent aller Weine bei uns geprüft. 2004 fielen von 14 035 Partien, hinter denen 100 Millionen Liter standen, drei Prozent durch. Das entspricht dem langjährigen Schnitt.
Sind sie da nicht zu tolerant?
Schiefer: Jeder Winzer hat betriebliche Eigenheiten. Deshalb ist die Bandbreite groß. Wir wollen keine uniformen Weintypen, gerade der Württemberger Wein lebt ja auch von seiner Vielfalt.
Manche sagen, die amtlichen Prüfer geben zu niedrige Punktzahlen.
Schiefer: Wir sind reine Produktprüfer, im Prinzip müssen wir nur die Schlechten aussortieren. Die Kür der angeblich Besten ist nicht unsere Aufgabe, dafür gibt es Prämierungen und Wettbewerbe.
Andere sagen, Sie sind zu streng und eng. Stichwort: Barrique. Als diese Top-Tropfen in den 80ern erstmals eingereicht wurden, fielen sie durch.
Schiefer: Das ist heute kein Thema mehr. Die Ausbauart im kleinen Eichenholzfass ist inzwischen eine eigene Kategorie, die für sich geprüft und zertifiziert wird.
Wie hat man sich denn eine amtliche Prüfung vorzustellen?
Schiefer: Vorgeschaltet ist die Analyse des Weines, bei der in einem Labor diverse Eckwerte gemessen werden: Alkohol, Zucker, Säure, Schwefel oder etwa Extrakt. Diese Werte müssen im Bereich der gesetzlichen Vorgaben für die jeweilige Qualitätsstufe liegen. Wir lassen den Wein dann von einer vierköpfigen Kommission verdeckt prüfen: und zwar geordnet nach Sorten und Geschmacksstufe jeweils fünf Gläschen. Bei dieser sensorischen Prüfung geht es um Farbe, Klarheit sowie Geruch, Geschmack, Harmonie. Dafür gibt es null bis fünf Punkte. Die Mindestpunktzahl ist 1,5. Sonst wird ein Wein nicht als Qualitätswein zugelassen.
Was ist er dann?
Schiefer: Manche meinen, ihn mit besserem Wein verschneiden zu können. Manchmal wird er zu Tafelwein abgestuft, im schlimmsten Fall aber taugt er nur zu Essig.
Kann ein Winzer gegen eine Ablehnung Widerspruch einlegen?
Schiefer: Theoretisch kann er vors Verwaltungsgericht ziehen, was ein, zwei Mal im Jahr vorkommt. Aber zunächst gibt es intern die Möglichkeit einer Gelben Karte. Das heißt, der Wein bekommt eine zweite Chance und eine andere Kommission. Denn wie ein Wein schmeckt, hängt auch von Rahmenbedingungen ab: wenn er frisch abgefüllt wurde, braucht er noch Zeit, zur Ruhe zu kommen. Wenn ein Wein in einer Reihe mit Top-Tropfen steht, sieht er vielleicht schlechter aus, als er ist.
Die Geschmäcker sind verschieden, sagt man, Weinnasen also auch.
Schiefer: Jeder hat andere Geruchsschwellenwerte, wobei bei uns Fachleute prüfen. Auch da gibt Unterschiede. So gilt ,Pferdeschweiß" für Deutsche als Fehler, in Frankreich und Italien ist er gewünscht.
Oha, wie das?
Schiefer: Unsere Weinkultur legt traditionell großen Wert auf Reintönigkeit, wozu auch eine moderne Kellerwirtschaft mit Stahltanks oder Maische-Erhitzung gehört.
Stumpft die Zunge bei so viel Wein nicht mit der Zeit ab?
Schiefer: Im Gegenteil: Man wird immer sensibler und differenzierter, das macht Spaß. Natürlich freut man sich am Ende eine Probe - wir testen in zwei Stunden maximal 40 Weine - auch über ein Weizenbier.