Denise Herrmann beweist es allen
Biathletin Denise Herrmann krönt sich mit Gold im Einzel - und das acht Jahre nach Bronze mit der Langlauf-Staffel.

Am Traditionsort des Langlaufs, am Holmenkollen in Oslo, war der Gedanke Beschluss. Wenig später, Ende April 2016, verkündete Denise Herrmann, dass sie ab nächsten 1. einen neuen Job haben würde: als Biathletin. Den zweiten Bildungsweg haben schon viele Profis eingeschlagen.
Aber so spektakulär gekrönt hat den Neuanfang auf dem deutschen Arbeitsmarkt wohl noch niemand: Die 33-Jährige gewann bei den Olympischen Spielen in Peking sensationell das Einzel über 15 Kilometer, die Königsdisziplin ihres Sports - acht Jahre nach der Bronzemedaille in Sotschi mit der deutschen Langlaufstaffel. Ein Triumph. Eine Genugtuung. Für sie und das Team. "Das ist gerade eine total krasse Situation", brach es im ersten Interview aus Denise Herrmann heraus, als die ersten Tränen getrocknet waren. "Ich habe ordentlich eins auf die Fresse gekriegt dieses Jahr. Aber ich wusste, dass ich es kann." Jetzt wissen es alle.
Zahlenkombination des Glücks
Es gibt keinen Makel. Der in der vermaledeiten Mixed-Staffel noch irrwitzige Wind hielt sich am Montag rund um das Biathlon-Stadion in Zhangjiakou zurück, es war ein ganz normaler Einzelwettkampf, der nur über eine ausgezeichnete Schießleistung zu gewinnen ist - und nicht über Herrmanns Stärke von einst, das Laufen. Lediglich die 13. Scheibe wollte bei der Frau aus Sachsen nicht fallen, am Ende blieb die Uhr bei 44:12,7 Minuten stehen - keine sollte diese Zahlenkombination des Glücks unterbieten. Zweite wurde die Französin Anais Chevalier-Bouchet (+9,4 Sekunden/1 Schießfehler), Dritte die Norwegerin Marte Olsbu Röiseland (+15,3/2), Vierte Teamkollegin Vanessa Voigt (+16,6/1), die am Samstag beim Auftakt im Mixed nach ihren Fehlschüssen noch so gelitten hatte.
Ausrutscher wett gemacht

"Platz vier ist für mich wie Gold", sagte die 24-jährige Voigt, schob aber nach, dass sie sich im ersten Moment im Ziel wegen der zur Medaille fehlenden 1,3 Sekunden schon ein bisschen geärgert habe. Bei der Verarbeitung des Mixed-Frustes habe ihr auch Denise Herrmann geholfen: "Sie und Benedikt Doll haben gesagt, dass ich es besser kann, dass das ein Ausrutscher war. Ich bin froh, Teil dieses Teams zu sein." Deshalb bahnte sie sich im Ziel sofort den Weg zu ihrer Kollegin. "Wir haben uns angeschaut und gesagt: Okay, diese Kritiker, wir haben es denen einfach gezeigt. Denn jetzt haben wir eine Olympiasiegerin." Die erste im Einzel seit Antje Misersky (1992) und Andrea Henkel (2002).
Der Gold-Coup in der Kälte von Zhangjiakou tut der Biathlon-Mannschaft extrem gut, "bringt Ruhe in das gesamte Team", sagte Bundestrainer Florian Steirer. Man habe im Saisonverlauf immer auf die Mädels vertraut - die phasenweise chancenlos abgehängt schienen. Auch Denise Herrmann, die mit Platz drei in Östersund begonnen hatte, dort, wo sie vor drei Jahren Weltmeisterin in der Verfolgung geworden war, den Wechsel vom Langlauf- ins Biathlon-Lager vergoldet hatte.
Stolz nach dem größten Sieg
Aber zwei olympische Medaillen in zwei verschiedenen Sportarten im Besitz zu haben, doch, das sei bei ihr im Sommer Thema gewesen, nickt die in Ruhpolding lebende Sächsin: "Das haben nicht so viele." Welche Medaille bedeutet ihr mehr? "Beides war überraschend, und mit dem Team ist es natürlich auch noch einmal etwas anderes." Das olympische Doppel mache sie auf jeden Fall sehr stolz. "Das ist der größte Sieg für mich - der über mich selbst."
Der eigene Anspruch sei groß. Aber das Anspruchsdenken in Deutschland gerade gegenüber die Biathletinnen sei "auch aus den letzten Jahren heraus" extrem, sagte Herrmann und meint die Erfolge von Magdalena Neuner und Laura Dahlmeier. "Aber die Weltspitze ist extrem zusammengerückt."
Die Gelassenheit hat Denise Herrmann geholfen, es sind ihre dritten Spiele. Die Planung ging auf, die Saison ist auf diese Tage ausgelegt. "Entweder es passiert, oder es passiert nicht", habe sie sich gesagt. "Die Corona-Situation hat mich einiges gelehrt, vor allem locker zu sein: Jedes Rennen kann das letzte sein." Aber es könnten in Zhangjiakou noch vier Zugaben folgen: Sprint (11. Februar), Verfolgung (13. Februar), Staffel (16. Februar) und Massenstart (19. Februar). Sicher ist nur: Dieser Triumph lässt sich nicht mehr steigern.