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Interview
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Einblick in die DFB-Nationalmannschaft und in die WM

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Marcus Sorg steht bei der DFB-Elf zwar nicht im Rampenlicht, als Assistent von Bundestrainer Jogi Löw ist er dennoch immer irgendwie im Fokus. Sorg "spielt" auf einer Position, auf der man spezielles Talent braucht. Im Stimme-Interview spricht der 53-Jährige über die Teamarbeit des DFB bei der WM.

Von Christian Klose
Marcus Sorg im Gespräch mit Bundestrainer Joachim Löw (rechts) und Assistenz-Trainer Miroslav Klose (links). Foto: dpa
Marcus Sorg im Gespräch mit Bundestrainer Joachim Löw (rechts) und Assistenz-Trainer Miroslav Klose (links). Foto: dpa  Foto: Christian Charisius (dpa)

 

Marcus Sorg ist in der deutschen Fußballszene kein Unbekannter. Der Schwabe war Cheftrainer des SC Freiburg und Europameister − mit den U19-Junioren. Wir haben den 53-Jährigen kurz vor seiner Abreise zur WM nach Russland zu Hause bei Ulm besucht, wo er noch ein paar Tage Ruhe vor dem Sturm genoss. 

 

Herr Sorg, Fußballfans sehen Sie im Fernsehen oft, weil Sie bei Spielen der Nationalelf in der ersten Halbzeit immer oben auf der Tribüne sitzen. Wie finden Sie das?

Marcus Sorg: Zu der Arbeitsaufteilung, die wir in unserem Trainerteam eingeführt haben, gehört die Spielbeobachtung von der Tribüne aus. Von dort kann ich das Spielgeschehen, taktische Ausrichtungen oder auch Einzelaktionen noch mal aus einer besseren Perspektive analysieren als von der Bank aus. Insgesamt ist das hilfreich, und ich finde, dass es sich schon absolut bewährt hat.

 

Warum in den ersten 45 Minuten?

Sorg: Zu Beginn der Pause treffen wir uns im Trainerzimmer, und ich fasse meine Beobachtungen in die zwei, drei wichtigsten Aspekte zusammen. Anschließend wird kurz beraten, so dass der Bundestrainer für sich die richtigen Inhalte für die anschließende Halbzeitanalyse und Ansprache vor der Mannschaft bereit hat.

 

Bei der Fußball-WM in Russland darf das Trainerteam erstmals über Headset und Mikro während des Spiels kommunizieren. Werden Sie sich mit Jogi Löw und Thomas Schneider wirklich so abstimmen?

Sorg: Wir werden uns jedenfalls darauf einlassen und haben es bei den Testspielen in Klagenfurt gegen Österreich und in Leverkusen gegen Saudi-Arabien getestet. Wir sind für sämtliche Innovationen immer gerne zu haben. Generell sind wir da sehr offen. Denn es kann schon von Vorteil sein, von oben ein paar Dinge Richtung Bank zu kommunizieren, um schnell reagieren zu können. Entscheidend wird sein, wirklich nur die wichtigsten Informationen zu kanalisieren.

 

Liegt Ihnen die Rolle des Assistenten?

Sorg: Dabei zu sein im Trainerteam der Nationalmannschaft, das ist für mich eine großartige Erfahrung. Das hätte ich mir niemals vorstellen können. Joachim Löw ist einer der weltbesten Trainer, mit und unter ihm zu arbeiten, ist beeindruckend und bereichernd zugleich. Er pflegt einen sehr partnerschaftlichen Umgang und überträgt uns ungemein viel Verantwortung. Das macht riesigen Spaß und fordert mich enorm. In unserem Trainerteam diskutieren wir auf Augenhöhe und respektieren uns. Natürlich muss Joachim Löw die finalen Entscheidungen treffen, aber auf dem Weg dorthin bringt jeder seine Sichtweise ein.

 

Sie fühlen sich aber nicht auf der sprichwörtlichen beruflichen Ersatzbank, oder?

Sorg: Ganz im Gegenteil. Ich fühle mich privilegiert: Ich darf mit den besten Spielern Deutschlands zusammenarbeiten.

 

 

 

 

 

Ein gutes, erfolgreiches Führungsteam zeichnet sich einerseits durch Vertrauen und Loyalität, andererseits durch eine sinnvolle Verteilung der Kompetenzen und Aufgaben aus. Sehen Sie das auch so?

Sorg: Absolut. Das große Glück in unserer Konstellation besteht für mich darin, dass jeder von uns seine individuellen Stärken einbringen kann, was uns als Team dann auch so stark macht. Manches hat sich wunderbar ergeben. Beispielsweise die Aufteilung der Spieler, die Thomas Schneider und ich individuell begleiten, gewissermaßen über die gesamte Saison hinweg. Thomas kennt einige Spieler aus seiner Zeit beim VfB, Antonio Rüdiger, Joshua Kimmich oder auch Timo Werner. Da ich beim DFB ja auch schon verschiedene U-Mannschaften betreut habe, kenne ich Niklas Süle, Julian Brandt, Leon Goretzka und Leroy Sané.

 

Dann können Sie uns ja sicher sagen, ob Deutschland demnächst wieder Weltmeister wird und seinen Titel verteidigt!

Sorg: Das kann ich leider nicht, schön wär"s aber?(lacht). Aber im Ernst: Es muss ja unser eigener Anspruch sein, zu den Favoriten auf den Titel zu gehören. Und natürlich werden wir alles geben, damit dieser Traum in Erfüllung geht. Aber da muss alles passen. Und wir wissen, dass wir die Gejagten sind. Jeder wird gegen uns alles in die Waagschale werfen, dem amtierenden Weltmeister will jeder ein Bein stellen. Schauen Sie sich die letzten vier WM-Turniere an: Drei Mal ist der Titelverteidiger schon in der Vorrunde ausgeschieden. Die Titelverteidigung haben zuletzt die Brasilianer 1962 geschafft. Vor uns liegen große Herausforderungen, die wir aber optimistisch angehen.

 

Was sind für Sie wichtige Erfolgsfaktoren?

Sorg: Die WM 2014 hat gezeigt, dass neben der individuellen Klasse, über die damals wie heute auch viele andere Teams verfügen, vor allem der Zusammenhalt und die Aufopferung für die Mannschaft entscheidend sind. Wir müssen diesen Teamgeist wieder entwickeln.

 

Lief die Vorbereitung auf die WM in Russland so, wie Sie es sich vorgestellt haben?

Sorg: Auch wenn die letzten Ergebnisse nicht optimal waren, waren wir mit der Vorbereitung absolut im Soll. Vor allem unser Trainingslager in Eppan hat dazu einen entscheidenden Beitrag geleistet. Die Basis ist gelegt. Nun geht es um den Feinschliff und die Arbeit über das gesamte Turnier hinweg. Wir müssen uns kontinuierlich steigern und auch auf größere Widerstände vorbereitet sein.

 

Ist die Mannschaft stärker als 2014?

Sorg: Es ist schwer, die Teams miteinander zu vergleichen. Mit Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Per Mertesacker und Miroslav Klose haben mehrere sehr erfahrene Spieler ihre Karriere beendet, die auf und neben dem Platz Verantwortung übernommen haben. Dafür haben wir ein Gerüst von sieben, acht Spielern, die bereits Weltmeister sind und Führungsrollen eingenommen haben. Mit den vielen jungen Spielern, die letztes Jahr den Confed-Cup gewonnen haben, stimmt die Mischung.

 

Als "Co" hat man oft ein etwas anderes Verhältnis zu den Mitarbeitern, weil man eben nicht der Chef ist, der letztlich der Entscheider ist. Wie gehen Sie mit den Spielern um, mit den Weltklasseleuten wie Toni Kroos, Manuel Neuer oder Mesut Özil?

Sorg: Wir haben insgesamt einen guten Draht und Umgang zu den Spielern. Gerade die Weltklassespieler zeichnet aus, dass sie diesbezüglich extrem zugänglich und aufnahmefähig sind. Darüber hinaus wissen sie die spezielle Atmosphäre bei der Nationalmannschaft sehr zu schätzen.

 

Sie haben für den DFB mit den U19-Junioren den EM-Titel geholt, haben den Confed- Cup gewonnen und werden jetzt mit der A-Nationalmannschaft womöglich einen weiteren Titel holen. Wer als Stellvertreter erfolgreich ist, bleibt mitunter nicht lange in der zweiten Reihe...

Sorg: Darüber mache ich mir im Moment überhaupt keine Gedanken, zumal ich meinen Vertrag beim DFB gerade bis 2024 verlängert habe. Da warten noch große Ziele auf uns.

 

Auf was freuen Sie sich bei der WM in Russland am meisten?

Sorg: Am meisten freue mich darüber, ein kleiner Teil von etwas ganz Großem zu sein: der Weltmeisterschaft 2018, unserer Nationalmannschaft. Darüber hinaus freue ich mich auf die besten Spieler der Welt − so wie jeder Fußball-Fan auch.

 

Zur Person

Die Trainerkarriere des am 24. Dezember 1965 geborenen Ulmers beginnt mit 33 Jahren. Zunächst bei den Stuttgarter Kickers, später bei den TSF Ditzingen, dem Heidenheimer SB und dem SSV Ulm 46. Am 1. Juli 2011 wird Marcus Sorg, Diplom-Ingenieur für Grundlagen- und Bauphysik, Cheftrainer beim SC Freiburg. Mit der deutschen U 19 wird er am 31. Juli 2014 Europameister. Seitdem fungiert er im Trainerteam von Joachim Löw gemeinsam mit Thomas Schneider als Assistent des Bundestrainers. 

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