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Fußball-EM
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Der Trend zur tiefen Verteidigung ist zurück

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Für Fußballlehrerin Imke Wübbenhorst spielte Belgien attraktiven Offensivfußball. Doch im Finale stehen mit Italien und England zwei Teams, die eher aus der Defensive kommen.

Von Imke Wübbenhorst
Spanien und Trainer Luis Enrique scheiterten im Halbfinale unglücklich an Italien. Sehr zum Leidwesen von unserer Kolumnisten Imke Wübbenhorst.
Foto: dpa
Spanien und Trainer Luis Enrique scheiterten im Halbfinale unglücklich an Italien. Sehr zum Leidwesen von unserer Kolumnisten Imke Wübbenhorst. Foto: dpa  Foto: Laurence Griffiths

Ich habe bei dieser EM etliche Spiele gesehen, aber das Halbfinale Spaniens gegen Italien war eines der schönsten. Mir hat es deutlich besser gefallen, als die Partie zwischen England und Dänemark. Wenn es plötzlich die Engländer sind, die die spielerischen Akzente setzen, dann weißt du, dass es mit der Attraktivität der Begegnung nicht weit her ist. Spaß bei Seite. Spanien hat einfach genau den Fußball gespielt, den ich gerne sehe.

Es ist ein Genuss, zuzuschauen wie Dani Olmo und seine Mitspieler sich zwischen den Ketten bewegen und die Räume im Positionsspiel besetzen. Es sagen viele, die Italiener würden nicht mehr so mauern wir früher, wären viel offensiver. Das finde ich nicht. Ich meine, die Zahlen zu dem Spiel sagen alles: Alleine, dass Spanien 905 Pässe gespielt hat und Italien mit 385 nicht mal die Hälfte davon. Daraus lässt sich ablesen, dass das Team von Luis Enrique immer wieder versucht hat, Situationen spielerisch zu lösen. Im Unterschied zu den Deutschen, bei denen es scheint, als diene der Ballbesitz einem Selbstzweck, erspielen sich die Spanier durch ihren Kombinationsfußball viele Torchancen. Sie schaffen es, auf engem Raum im gegnerischen Abwehrdrittel immer wieder gefährlich hinter die letzte Linie zu kommen. Lediglich die Chancenverwertung war zu schwach, um Profit aus dem dominanten Spiel zu schlagen. Stattdessen hat sich das Konzept des tiefen Verteidigens und schnellen Konterns bewährt, auf das die Italiener setzten. Diesen Trend, der mir nicht besonders gefällt, sehen wir auch bei den Engländern, dem zweiten Finalteilnehmer.

Beide Teams machen die Räume vor dem eigenen Tor eng und provozieren so Ballverluste des Gegners. Der ist aufgerückt und ungeordnet und diesen kurzen Moment der Unordnung nutzen sie für Konter. Dabei ist es enorm wichtig, das Tempo hoch zu halten. Tempodribbler wie Bukayo Saka und Raheem Sterling sind in so einem auf Konter ausgelegten Spiel ebenso unverzichtbar wie ein Stoßstürmer, in Englands Fall Harry Kane, der Bälle sichert und klatschen lässt, damit eine zweite Welle gestartet werden kann.

Wenn im Endspiel am Sonntag nun Italien und England aufeinandertreffen, werden es wohl letztere sein, die versuchen, das Spiel zu machen. Die "Three Lions" hatten eine schlechte Vorrunde, haben sich dann aber von Spiel zu Spiel gesteigert und immer mehr Selbstbewusstsein entwickelt - auch, weil sie in den letzten beiden Partien gegen sehr passive Mannschaften die Initiative übernehmen mussten.Und das erfolgreich taten.

Es wird für Italien schwer werden, diese defensiv hervorragend aufgestellte und alles in allem komplettere Mannschaft zu bezwingen, der zudem das Heimspiel in Wembley gehörig Rückenwind geben dürfte.

Zur Person

Imke Wübbenhorst hat vor einem Jahr ihre Ausbildung zur Fußballlehrerin an der Sportschule Hennef abgeschlossen. Sie war die erste Übungsleiterin, die ein Herrenteam (Cloppenburg) inder Oberliga betreute. Zuletzt trainierte Wübbenhorst die Sportfreunde Lotte in der Regionalliga, nun ist die 32-jährige Lehrerin Co-Trainerin bei Drittligist Viktoria Köln.

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