Die Bittenfelder Saat geht auf
Mit einer jungen Mannschaft in die 2. Bundesliga gestürmt

Ein Handballverein aus einer gerade mal 4300 Einwohner zählenden Gemeinde in der 2. Bundesliga? Ja, das gibt‘s, der TV Bittenfeld hat das schier Undenkbare im Frühjahr geschafft.
Der Club wurde selbst davon überrascht, denn als Fünfter der Regionalliga Süd war man im Frühjahr 2006 gerade noch so in die Aufstiegsrunde reingerutscht. „Und dann haben wir alle zehn Spiele gewonnen“, sagt Abteilungsleiter Bernd Müller. Der große Konkurrent VfL Waiblingen hat immer noch daran zu knabbern, dass es der Club aus der Teilgemeinde nach oben geschafft hat, während man selbst die jahrzehntelange Führungsrolle los ist.
Doch hat man dort überwiegend auf fertige Spieler und Stars gesetzt, gingen die Bittenfelder einen ganz anderen Weg. „1994 haben wir uns Leitlinien für kontinuierliche Jugendarbeit gesetzt“, sagt Trainer Günter Schweikardt. Ihn kann man getrost als Vater des Erfolgs bezeichnen, denn er sorgte mit dafür, dass die Pläne auch in die Praxis umgesetzt wurden. Der TV Bittenfeld stellt immer wieder Jugend-Mannschaften, die auf Verbandsebene spielen. Und jetzt ist die Saat aufgegangen. 22 Jahre beträgt das Durchschnittsalter der Truppe, fast alle sind beim TV gefördert worden und stammen aus dem näheren Umfeld.
Das große Fragezeichen vor der Saison war, ob es für die 2. Liga reichen würde. „Wir hatten schon Angst, Kanonenfutter zu werden“, sagt Schweikardt. Doch dann machten seine Männer gerade so weiter und waren nach dem 6. Spieltag mit 8:4 Punkten Tabellendritter. Dann aber kam es gleich ganz dick, es folgte eine Durststrecke von acht sieglosen Spielen, bis die Mannschaft eine Woche vor Weihnachten mit einem 37:33 gegen den TV Willstätt-Ortenau wieder mal ein Erfolgserlebnis hatte. „Das war wichtig fürs Selbstvetrauen“, so Schweikardt. Man war nämlich bis dicht an die Abstiegsränge durchgereicht worden.
Die Minusserie hat aufgedeckt, dass es mit Euphorie, Willen sowie Sturm und Drang allein nicht geht. „Auf die Dauer ist das schwer durchzustehen, deshalb brauchen wir Verstärkungen“, sagt der Trainer. Er denkt an zwei, drei gestandene Spieler. Das Grundprinzip aber, es hauptsächlich mit jungen Spielern aus der Region schaffen zu wollen, bleibt unangetastet. Ein wenig hat man schon nachgeladen. Als zweiter Torwart neben dem Routinier Markus Brodbeck wurde aus Balingen der Jugendnationalspieler Jürgen Müller geholt. Und als Linksaußen steht ab sofort der Tscheche Jan Vetrovec zur Verfügung, der aus der Leutershausener Konkursmasse stammt.
Zurzeit lebt die Mannschaft von ihrer Ausgeglichenheit. Es gibt mit dem Torjäger und Trainersohn Jürgen Schweikardt, Patrick Rothe, Simon Baumgarten, Florian Schöbinger und dem Junioren-Nationalspieler Maik Bechtloff allerdings fünf Feldspieler, die das Rückgrat der Truppe bilden.
Mit einem Mini-Etat von gerade mal 150 000 Euro stemmen die Bittenfelder das erste Jahr 2. Bundesliga. Dort läuft unter einer Viertelmillion sonst gar nichts. Auch dieser Betrag muss ausgeweitet werden, „weshalb wir unser Einzugsgebiet vergrößern wollen“, so Schweikardt. Man schaut wegen potenzieller Sponsoren Richtung Stuttgart, wo man in der neuen Porsche-Arena auch schon vor 6000 Zuschauern ein Heimspiel ausgetragen hat. Der Normalfall aber, das sind die rund 800 in der heimischen Gemeindehalle.
Die Bittenfelder praktizieren einen schnellen Handball, baserend auf versierter Technik. Der Grundgedanke ist, aus einer 6:0-Deckung zu Gegenstößen zu kommen. Wegen der jahrelangen Rundum-Ausbildung sind alle Spieler auf mehreren Positionen einsetzbar. „Wir haben gezeigt, dass wir nicht fehl am Platz sind“, meinte Baumgarten nach dem Sieg gegen Willstätt. Doch nach den jüngsten Problemen wird erst der weitere Saisonverlauf zeigen, ob sich das Bittenfelder Wunder konservieren lässt.