Wie es ist, seine Selbstständigkeit aufzugeben
Die ersten Plätze im Pflegeheim sind belegt - Kooperation mit der Kita hat begonnen

UNTERGRUPPENBACH - Jahrzehntelang die eigene Wohnung - und dann plötzlich ein Zimmer im Pflegeheim. Wie ist das, wenn man seine Selbstständigkeit aufgibt? Bewohnerinnen, die ins nagelneue Haus der Generationen in Untergruppenbach gezogen sind, berichten. Angelaufen ist inzwischen auch die Kooperation mit der benachbarten Kindertagesstätte.
Helle Vorhänge, ein Tischchen mit einem Tulpenstrauß drauf, zwei Stühle, ein Bett, zwei Kommoden, ein Schrank: Das ist das neue Heim von Hildegard Löwe. „Ist doch ganz schön hier, oder?“, sagt die 72-Jährige. Was noch fehlt in ihrem Einzelzimmer, ist der handgearbeitete Sekretär. Den lässt sie sich nachschicken. Aus Langen in Hessen ist die Witwe vor zwei Wochen ins Haus der Generationen gezogen. Denn: In Untergruppenbach wohnt ihre Nichte.
Loslassen „Ich habe vorher allein gelebt und alles selbst organisiert“, sagt Hildegard Löwe. „Es fällt mir schwer, alles loszulassen. Ich trauer’ meiner Wohnung schon nach.“ Dennoch: Es gefällt ihr im Haus der Generationen. „Das Personal ist nett.“ Ein Vorteil im Heim: „Man wird betüttelt.“ Wobei das für die Frau ein zweischneidiges Schwert ist: „Das ist schön und gut gemeint, aber ich fühle mich auch ein bisschen eingeschränkt. Ich habe mein Leben immer selbst in die Hand genommen.“ Momentan herrschen paradiesische Zustände im nagelneuen Haus der Generationen: Erst sieben von 74 Plätzen sind belegt, acht Angestellte kümmern sich um die Bewohner. „Wir sind wie eine kleine Familie. Die Menschen werden sehr verwöhnt“, sagt Pflegedienstleiterin Andrea Krech. „Das hilft beim Eingewöhnen.“ Ab nächsten Montag wird im Heim gekocht. Dann kommen auch die Kita-Kinder aus der benachbarten alten Schule zum Essen. Die Kooperation hat bereits begonnen - sehr zur Freude von Hildegard Löwe: „Ich finde das gut, weil ich keine Kinder und Enkel habe.“ An diesem Tag sind Steven und Lauryl da, um mit zwei Bewohnerinnen und Kunsttherapeutin Beate Köhler Eier zu marmorieren. „Die Frauen sind ganz nett“, sind sich die beiden Fünfjährigen einig.
Das wöchentliche gemeinsame Basteln soll noch intensiviert werden, sagt Hausleiter Oswald Riekert. Neulich hat eine Seniorin in der Kita vorgelesen - auch das soll zur Regelmäßigkeit werden. Geplant seien zudem Spontanbesuche und dass die Kinder für die Bewohner Postbote spielen. Bisher seien die Erfahrungen gut, sagt Riekert: „Die Resonanz von Senioren und Kindern ist ganz toll.“ Sein Wunsch: „Die Begegnungen sollen einfach alltäglich werden.“ Nicht nur mit der Kita. Auch eine Kooperation mit der Hauptschule sei geplant.
Während die Kinder mit Hildegard Löwe und Meta Walter Eier in die Marmorier-Farben tauchen und die 103-jährige Maria Schaaf im Sessel daneben ein Schläfchen macht, ist Johanna Wendler in ihrem Zimmer. Anders als Hildegard Löwe hatte die 82-Jährige kaum Zeit, sich auf den Umzug ins Pflegeheim einzustellen. Nach einem Sturz in ihrer Wohnung ging es ganz schnell. Johanna Wendler hat vorher bloß ein paar Straßen weiter gewohnt. Das Haus der Generationen hat sie in die Höhe wachsen sehen und gedacht: „Da komme ich nie hin.“ Jetzt ist sie doch da. Und fühlt sich ganz wohl. „Ich passe mich gerne an“, sagt die alte Frau. „Man wird gut versorgt, und heute Nachmittag gehe ich mit der Schwester spazieren.“ Ihren Haushalt habe sie gerne versorgt. Doch jetzt hat die Seniorin akzeptiert: „Es geht halt nicht mehr.“