Eine Burg, die nie belagert wurde
Die Lichtenberg hatte im Mittelalter politisch einflussreiche Besitzer

Oberstenfeld - Mit einem solchen Andrang hat der Baron nicht gerechnet: 115 Gäste sind für die Führung durch Burg Lichtenberg angemeldet, aber das schöne spätsommerliche Wetter lockt am Sonntag noch eine Menge mehr Neugierige auf die Höhenburg im Bottwartal. Freiherr Dietrich von und zu Weiler und der Oberstenfelder Heimatforscher Ernst Schedler teilten sich die Schar auf.
Aus berufenem Munde wollen die Besucher hören, warum die Lichtenberg so stolz und unversehrt da steht, während von anderen Burgen kaum noch etwas übrig ist. Wie es kommt, dass die Stauferburg seit über 600 Jahren in Familienbesitz ist. Und warum keine Jazzkonzerte mehr im Burghof stattfinden.
Geschichte Der Baron nimmt das Mikrofon in die Hand und erzählt aus der über 800 Jahre alten Burggeschichte. Von 1189 stamme die erste Urkunde derer von Lichtenberg, 1197 erbauten sie wohl die Burg mit Palas und Wehrmauern.
Jede Generation habe, so der Baron, politisch einflussreiche Persönlichkeiten gehabt, darunter Bischöfe von Speyer und Würzburg. Darauf führt der heutige Burgherr die Tatsache zurück, dass das Gemäuer in all den Jahrhunderten nie belagert und angegriffen wurde. "Sogar im Dreißigjährigen Krieg kamen die Franzosen nicht nach Oberstenfeld."
Erst im April 1945, als die deutsche Wehrmacht die Neckarlinie gegen die Amerikaner verteidigte, trafen 20 Panzersprenggranaten die Burg Lichtenberg. Dass es nicht mehr wurden, verdankt sie dem resoluten Eingreifen der Mutter von Baron Dietrich, Marie Luise. Sie hängte die schwedische Fahne aus einem Fenster des Burgfrieds. "Von Stund an wurde nicht mehr geschossen", erzählt der Sohn amüsiert. Am nächsten Tag kamen die Amerikaner aus Richtung Beilstein. Der Krieg war zu Ende.
Auf steilen, holprigen Steinstufen und durch enge Türöffnungen bewegen sich die Ausflügler ins Innere der Burg. Schmuckstück ist die Kapelle. Biblische Fresken zieren die Wände, gotische über romanischen. Sie zu trennen und beide Epochen sichtbar zu machen, sei zwar technisch möglich, aber "viel zu teuer". Die Unesco habe das zum Beispiel in Ägypten gemacht, "aber das ist nichts für uns", sagt der Baron, der die Burg "so gut es geht" bewahren will: "Es ist nicht einfach, aber man macht's." Rund 40 Hochzeiten finden jährlich in der Kapelle statt.
Seit dem Jahr 1483 ist die Familie im Besitz der Lichtenberg. Nach dem Verkauf 1357 an das aufstrebende Haus Württemberg und über 100-jährigem Leerstand wurde die Burg als Lehen an den Landhofmeister Dieterich Freiherr von und zu Weiler übertragen.
Die frühere "Kaserne" für Soldaten wird heute als Galerie für Familienbilder genutzt. Die Deckenbalken wurden nachweislich um 1232 geschlagen. Gut erkennbar ist auch die Lehmwickeltechnik, die heute wieder als biologische Isolierung gefragt ist.
Kein Jazz mehr Aufgegeben haben die Besitzer das ständige Restaurant. Nur noch zu besonderen Anlässen wie Hochzeiten oder Firmenjubiläen wird es geöffnet. "Die Wirtschaft hat sich nicht gerechnet", sagt Baron von Weiler. "Im Winter oder bei schlechtem Wetter kommt keine Katz'." "Tiefrote Zahlen" hat er auch bei Jazzkonzerten geschrieben. "Die Bands wurden immer teurer, und wenn's dann geregnet hat, saß ich mit meiner Frau und zwei Gästen allein hier oben."
Roland und Hildegard Müller aus Besigheim sind etwas enttäuscht, dass sie nicht mehr Räume sehen können. Sie nehmen aber die neue Erkenntnis mit, dass früher bei uns mittelitalienisches Klima herrschte und es in den ungeheizten Burgen erst ab dem 14./15. Jahrhundert richtig kalt wurde. Hildegard Müller: "Das hat uns doch verwundert."