Dem Verlorenen ein Gesicht geben
Die Liebfrauenkapelle wurde freigelegt und zum Teil restauriert

Ilsfeld - Ein Geheimnis“, mutmaßte Claus Kohout im Ilsfelder Ortsteil Wüstenhausen. In verschiedenen Berichten hatte der Diplom-Ingenieur und Architekt Notizen und Berichte über eine Kapelle in Ilsfeld-Wüstenhausen gefunden. Das hat ihn neugierig gemacht. Vor dreieinhalb Jahren machte sich der an Baugeschichte Interessierte in dem kleinen Ort einfach auf die Suche - und wurde fündig.
„Das Sandsteingemäuer ließ eine Kirche nur erahnen“, sagt Kohout. Ein erbärmlicher Anblick sei es anfangs gewesen. Viel Unrat und Müll, nur sehr wenig ließ auf sakrale Elemente schließen. Gerade erst hatten die Nachbarn Elfriede und Stefan Wegendt die Überreste der Liebfrauenkapelle ersteigert. Die drei waren sich schnell einig: „Wir wollen dem Verlorenen ein Gesicht geben.“
Detailarbeit Mittlerweile haben die Wegendts die Kapellenreste in mühevoller Arbeit freigelegt. Zugemauerte Fenster, ein Eselsrückenportal oder ein gotischer Bogen wurden von ihrer Ummauerung befreit. Erstaunt ist Claus Kohout, dass sich immer wieder zeigt, wie aufwendig und reich im Detail die Kirche erbaut worden war. Alle entfernten Steine werden aufbewahrt, um sie der Kirche wieder zuführen zu können. Ein neues Dach wurde dem Gemäuer polygonal angepasst.
„Das Neue soll erkennbar sein und das Alte erhalten werden“, lautet der Grundsatz von Stefan Wegendt. Seit sechs Monaten arbeitet sein Schwiegervater, der pensionierte Maurer Michael Lederer aus Siebenbürgen, an der Kapelle. „Die Arbeit ist interessant und gefällt mir“, sagt der 69-Jährige. Kilometerlange Akten stapeln sich indes mittlerweile bei Claus Kohout. In Kirchen-Visitationsprotokollen, Kriegsschadensberichten oder Reichskammer-Gerichtsprotokollen wurde der Architekt fündig.
Bedeutung „Die Ortsgeschichte birgt zerrissene und komplexe kirchliche sowie politische Verhältnisse, viele Konflikte und Grenzstreitigkeiten“, hat Kohout herausgefunden. Das sei wohl der Grund, warum der Ort so viele geschichtliche Spuren hinterlassen habe. Um 1227 bis 1247 sei der älteste Teil, der frühgotische Chor, entstanden. „Vermutlich für Wallfahrten ist nach 1400 das Kirchenschiff von Fronarbeitern aus Talheim und Ilsfeld erbaut worden“, erklärt der Architekt.
Es müsse eine große Kirche von Bedeutung gewesen sein, die bis zum Jahre 1547 „als Filial“ zur Bartholomäuskirche, der „Mutterkirche in Ilsfeld“ und danach zur „neuen Pfarrei Auenstein“ gehört hat. „Erst seit 1971 gehört Wüstenhausen kirchlich zu Untergruppenbach“, erklärt Claus Kohout. Zuvor hätten lediglich zwei Herrenhäuser kirchlich und politisch zur Stettenfelsgemeinde gehört.
Zerstörung Erstmals sei 1710 die Rede von einer Zerstörung der Kapelle. Das Dach und der oberste Teil des Gemäuers seien eingestürzt. „Sicher gingen Beschädigungen bei den Franzoseneinfällen 1693 voraus“, meint Kohout. An eine Bauernfamilie wurde die Kirche im Jahr 1764 verkauft und anschließend landwirtschaftlich genutzt. Im 19. Jahrhundert sei das Kirchenschiff schließlich abgerissen und mit den Steinen ein Gewölbe in halber Höhe des Chores eingezogen worden. Ein Scheunenkomplex wurde drum herum gebaut.
Den Gewölbekeller wird das Ehepaar Wegendt künftig privat nutzen. Doch für den oberen Raum, der jetzt über eine Außentreppe erreichbar ist, kann sich Stefan Wegendt eine ökumenische Nutzung vorstellen. Für Claus Kohout, der sämtliche Daten zur Liebfrauenkapelle im Kopf hat, gibt es noch viele offene Fragen.
Motiviert hat ihn der kürzliche Fund des Schlusssteines vom Kreuzrippengewölbe der Kapelle. „Er war im Backhäusle, das abgerissen wurde, eingemauert gewesen“, erklärt er. Jetzt hofft er, weitere Steine, vielleicht vom Altar oder Steinkreuz zu finden. „Ich bleib auf jeden Fall dran.“

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