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Betten Braun: Bedauern über das Aus

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Wir haben uns bei Bürgern und Geschäftsleuten umgehört, was sie von der angekündigten Schließung von Betten Braun halten. Vielfach ist Bedauern und Entsetzen zu vernehmen.

Von unserer Redakteurin Sabine Friedrich
Alte Aufnahmen aus der Produktion: In der Näherei werden Bett- und Tischwäsche sowie Gardinen gefertigt.
Alte Aufnahmen aus der Produktion: In der Näherei werden Bett- und Tischwäsche sowie Gardinen gefertigt.  Foto: Kempf

"Furchtbar." "Wir sind alle gefrustet." "Schade." Das sind spontan die ersten Worte von Fleinern, die die Heilbronner Stimme auf die Schließung der Firma Betten Braun zum Jahresende (wir berichteten) in Geschäften und auf der Straße angesprochen hat.

"Ernüchternd", lautet der Kommentar von Bürgermeister Alexander Krüger. Nicht nur er bezeichnet das alteingesessene und weithin bekannte Unternehmen als Aushängeschild für den Standort Flein, sieht darin auch einen Frequenzbringer, von dem andere Läden oder Wengerter profitiert hätten.

Was nach dem Aus für die Adresse für Betten, Bettwäsche, Matratzen und Zubehör mit dem rund 60 Ar großen Gelände in der Erlachstraße passiert? Natürlich könne die Gemeinde kein großes Interesse an einer Brache haben, sagt Krüger. Ob die Kommune als Käufer auftreten könnte, darüber will er nicht spekulieren. Diese Frage sei verfrüht: Man müsse erst einmal die Nachricht verdauen.

"Das Geschäft ist so toll renoviert worden", meint Ursula Bienert zur Modernisierung vor ein paar Jahren. Die großzügigen Verkaufsräume und die "nette Atmosphäre" habe sie geschätzt. Man könne direkt vor die Haustür fahren, nennt die Talheimerin einen weiteren Vorteil. Um ein solches Sortiment wie bei Betten Braun - in den Hochzeiten mit 120 Mitarbeitern - zu bekommen, müsse man bis Stuttgart fahren.

"Das war ja schon lange im Gespräch", ist Christel Gruidl gar nicht so von der Nachricht überrascht worden. Dass das Unternehmen mit seinen 45 Mitarbeitern tatsächlich schließe, das tut der Mitarbeiterin im Eine-Welt-Laden sehr leid. "Das hat einfach zu Flein dazu gehört", sagt Gruidl.

Auch im Friseursalon Leissing ist die angekündigte Schließung Gesprächsthema, wie Inhaberin Sigrid Leissing erzählt. Die Leute seien schon bestürzt. Die Zeiten hätten sich geändert, man gebe heute nicht mehr so viel Geld für Bettwäsche und Aussteuer aus. Dass es für den Einzelhandel immer schwieriger werde, davon ist Leissing überzeugt. Und sie beklagt, dass der Ortskern immer mehr ausgedünnt werde, nachdem es den Blumenladen und das Bekleidungsgeschäft nicht mehr gebe.

Jeder sei am Kämpfen. "Die Bäume wachsen nicht in den Himmel", beobachtet Roger Klumpp die Situation vor Ort und bedauert, dass das "Zugpferd" Betten Braun verloren geht. Die Leute ließen sich beraten und bestellten dann im Internet, ist der Eindruck des Vize-Vorsitzenden des Fleiner Gewerbevereins, in dem Seniorchef Dr. Herbert Braun von 1976 bis 2011 im Vorstand gewesen ist, zuletzt viele Jahre an der Spitze. Zudem ist der Sohn des Firmengründers von 1979 bis 1997 auch im Gemeinderat gewesen.

Flein geprägt

Betten Braun - 1949 gegründet - habe Flein geprägt, meint ein Einheimischer, der gerade beim Bäcker einkauft. "Traurig", fügt er hinzu, bemerkt aber auch, dass er den Juniorchef gar nicht gekannt habe. Eine andere Kundin nickt. "Er ist kein Geschäftsmann", ist ihre Meinung. Sie erinnert sich an die Zeiten unter dem Gründer- und der zweiten Generation. "Es war so eine freundliche Atmosphäre."

Eine andere Frau, die einst beim Betten-Unternehmen gearbeitet hat, hat damals ein "warmes Verhältnis" unter der Belegschaft erfahren. "Es tut weh", sagt sie zur Schließung. Eine Nachbarin in der Erlachstraße erzählt, dass Seniorchefin Emmi Braun, heute 92, vor etwa zehn Jahren noch die Kundschaft an der Tür mit Handschlag begrüßt habe.

Nur noch Ketten?

"Wieder ein Fachgeschäft", drückt Herbert Kern "großes Bedauern" aus. Seine Befürchtung: Irgendwann gebe es nur noch Ketten. Inhabergeführte Fachgeschäfte hätten es schwer, mit allem, was auf sie einströme und was sie leisten müssten. Und dann müssten auch noch die Informationen übers Internet kompensiert werden. "Betten Braun hat uns hier geholfen", sagt der Klavierbaumeister. Nicht nur sein Geschäft habe von der Kundschaft aus einem Radius von 50 bis 80 Kilometern profitiert. Die Leute seien bei ihrer Einkaufsfahrt auch bei ihm vorbei gekommen. "Die Kunden haben zu Betten Braun und zu uns eine emotionale Verbundenheit", sagt Kern.

Bei einer Neubebauung der Firmenimmobilie spricht der Gemeinderat mit

Flein ist eine gefragte und attraktive Wohngemeinde, nicht zuletzt wegen der Nähe zu Heilbronn, das mit dem Stadtbus zu erreichen ist. Vielerorts sind in der jüngsten Vergangenheit im Ortskern neue Wohnhäuser, teils mit Geschäftsräumen, entstanden oder in Planung. Folgt das Areal von Betten Braun dem Beispiel des früheren Wiki-Geländes? Denn es ist davon die Rede, dass die rund 60 Ar große Immobilie nach der Schließung der Firma zum Jahresende verkauft werden soll.

Fußläufig zum Ortskern, hat an der Ecke Haigern-/Falteräckerstraße, das einst ein Gewerbegebiet gewesen ist, ein privater Investor die 14 Doppelhäuser inzwischen fast fertig gestellt. In der zentral gelegenen Erlachstraße gibt es im Gegensatz zum Wiki-Gelände allerdings keinen Bebauungsplan. Es handelt sich laut Bauamtsleiter Hartmut Winkler um einen so genannten unbeplanten Innenbereich.

Die älteren Betriebsgebäude von Betten Braun stehen auf einer gemischten Baufläche, wo nichtstörendes Gewerbe oder Wohnen möglich sei. Gegenüber, wo der Verkaufskomplex platziert ist, weist der Flächennutzungsplan als vorbereitender Bauleitplan allerdings ein Gewerbegrundstück aus.

"Die Gemeinde hat kein Vorkaufsrecht", stellt Winkler zum einen fest. Zum anderen macht er auf Nachfrage der Heilbronner Stimme deutlich, dass generell der Gemeinderat oder der Technische Ausschuss aus baurechtlicher und städtebaulicher Sicht bei einer Neubebauung mitspricht. Wenn es keinen qualifizierten Bebauungsplan gibt und auch keiner aufgestellt werde, dann werde eine Einzelentscheidung getroffen. bif

 

Rund 60 Ar groß ist das Areal, auf dem Gebäude mit Produktion und Verkauf des Unternehmens links und rechts der Erlachstraße stehen.
Foto: Mario Berger
Rund 60 Ar groß ist das Areal, auf dem Gebäude mit Produktion und Verkauf des Unternehmens links und rechts der Erlachstraße stehen. Foto: Mario Berger  Foto: Berger
Mit Stickautomaten werden in der hauseigenen Stickerei maschinell die Stoffe verziert.
Fotos: Archiv/Kempf
Mit Stickautomaten werden in der hauseigenen Stickerei maschinell die Stoffe verziert. Fotos: Archiv/Kempf  Foto: Kempf
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