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Alte Glocken zerschellen am Boden

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Der große Brand von 1904 zerstört auch das Geläut der Bartholomäuskirche

Von Gustav Döttling
Die Ilsfelder Bartholomäuskirche wurde 1906 nach dem großen Brand wieder eingeweiht. Im Glockenturm schlägt ein Vierergeläut.
          Foto: Dittmar Dirks
Die Ilsfelder Bartholomäuskirche wurde 1906 nach dem großen Brand wieder eingeweiht. Im Glockenturm schlägt ein Vierergeläut. Foto: Dittmar Dirks

ILSFELD - Von den alten Glocken der evangelischen Bartholomäus-Kirche in Ilsfeld existiert nur noch ein kleines zerschmolzenes Bruchstück im Pfarrhaus. Beim großen Brand von 1904, als fast der ganze Ort zerstört wird, stürzen die alten Glocken im brennenden Turm ab und zerschellen am Boden.

Glockenraub Die große Glockenstube hat schon viele Glocken beherbergt. Aus alten Pfarrprotokollen geht hervor, dass 1695 eine neue Glocke angeschafft wird, weil Franzosen bei Überfällen alle Glocken geraubt haben. 1699 kauft die Gemeinde eine zweite Glocke. Im Pfarrprotokoll heißt es nun: „Da wieder zwei Glocken auf dem Kirchturm vorhanden, soll wieder wie früher zu den Gottesdiensten geläutet werden. Die Betglock’ soll alle Abend um 6 Uhr läuten.“

Eine dritte Glocke des Heilbronner Gießers Johann Georg Rohr gesellt sich 1704 zum Zweiergeläut. Der Stuttgarter Gießer Georg Peter Becker ergänzt 1769 das Geläut mit einer großen Glocke zum Vierergeläut. Eine weitere kleine Glocke kauft die Kirchengemeinde im Jahr 1800. Unbekannt ist, ob zusätzlich oder als Ersatz für eine beschädigte Glocke.

Großbrand Nach dem Großbrand von 1904 habe man bei der damals bekannten Firma G.A. Kiesel in Heilbronn ein neues Dreiergeläut im Es-Dur-Dreiklang es´-g´-b´ gießen lassen. Das berichtet der in Heilbronn geborene Oberstudienrat Klaus Hammer, Glockensachverständiger und wissenschaftlicher Leiter des Glockenmuseums in der Herrenberger Stiftskirche, zur Ilsfelder Glockengeschichte.

In ihren Inschriften nehmen die drei neuen Glocken von 1906 Bezug auf den Brand von 1904. Auf der großen, 1080 Kilogramm (kg) schweren Glocke steht: „Wo der Herr die Stadt nicht behütet, da wacht der Wächter umsonst.“ Auch die mittlere Glocke (545 kg) und die kleine Glocke (320 kg), eine private Stiftung des Ilsfelder Tierarztes Dr. Röhrich, tragen Inschriften, die für Gottes Hilfe im Unglück danken. Röhrich stiftet die kleine Glocke, weil er beim Brand unversehrt bleibt. Im Ersten Weltkrieg muss die Kirchengemeinde nur die kleine Glocke abliefern. Diese wird 1926 durch eine entsprechende Glocke der Heilbronner Gießerei Bachert ersetzt.

Fehlentscheidung Der Zweite Weltkrieg fordert 1942 seinen (Metall-) Tribut. Die beiden großen Glocken gehen in die Kriegsproduktion. Den Krieg überlebt zunächst nur die große Kiesel-Glocke. Was dann geschieht, bezeichnet Klaus Hammer „aus heutiger Sicht als völlig unverständlich“. Ilsfeld beschafft 1947 ein neues Vierergeläut mit Stahlglocken aus einer Bochumer Gießerei - deren Guss anscheinend völlig daneben ging.

Als man die Fehlentscheidung 1956 revidiert, auch weil die Glocken für den Turm zu schwer sind, beschließt der Kirchengemeinderat zum Entsetzen von Oberkirchenrat und Denkmalschutz, die Kiesel-Glocken aus der Vorkriegszeit einschmelzen zu lassen, um das Metall für die neuen Glocken zu verwenden. Das heutige Vierergeläute mit Dominika (1784 kg), Betglocke (1035 kg), Kreuzglocke (723 kg) und Taufglocke (414 kg), erklingt im so genannten Idealquartett-Motiv in der Schlagtonfolge cis´-e´-fis´-a´. „Unsere Glocken haben einen wunderschönen harmonischen Klang“, sind sich Pfarrerin Rosemarie Köger-Stäbler und ihr Mann, Pfarrer Arthur Stäbler, über das Zusammenspiel der 1956 bei Bachert in Heilbronn gegossenen Glocken einig.

Die „Dominika“ ist mit 1784 Kilogramm die schwerste Glocke.
          Foto: Döttling
Die „Dominika“ ist mit 1784 Kilogramm die schwerste Glocke. Foto: Döttling
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