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Wenn schon Kaffee mitnehmen, dann richtig

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Kaffee zum Mitnehmen liegt im Trend. Geht es nach dem Landkreis Heilbronn, soll dieser Kaffee künftig allerdings möglichst selten in Einwegbechern ausgegeben werden. Gemeinsam mit acht Bäckereien hat das Landratsamt nun einen Porzellanbecher und ein Konzept vorgestellt.

Von Christian Gleichauf
Mehrweg statt Einweg: Das neue Landkreis-Logo prangt auf den Porzellan-Bechern, die es nun in zahlreichen Bäckereien der Region gibt. Fotos: Ralf Seidel
Mehrweg statt Einweg: Das neue Landkreis-Logo prangt auf den Porzellan-Bechern, die es nun in zahlreichen Bäckereien der Region gibt. Fotos: Ralf Seidel

Einen Kaffee in Ruhe im Sitzen aus einer traditionellen Tasse zu genießen, das ist sicher die beste Variante - findet der Klimaschutzbeauftragte des Landreises Heilbronn, Michael Groß: "Kaffee ist ein hochwertiges Produkt, das viel zu schade ist, um einfach im Laufen heruntergekippt zu werden." Wenn die Menschen sich diese Zeit nicht nehmen, dann, so Groß, sollten sie wenigstens die zweitbeste Variante wählen: den Porzellanbecher.

In Talheim fiel am Mittwoch der Startschuss für ein Kooperationsprojekt von Landkreis und mehreren Bäckereien, die dieser Idee etwas abgewinnen können. 2000 Porzellanbecher mit dem neuen Landkreis-Logo sollen unter die Menschen gebracht werden. Und natürlich kann man auch jeden anderen Becher nehmen, um ihn an der Verkaufsstelle auffüllen zu lassen.

Der entscheidende Punkt ist nämlich, die drittbeste - sprich die schlechteste - Variante zu vermeiden: Einen Pappbecher befüllen zu lassen, der dann nach kürzester Zeit im Müll landet. Bricht man die Statistik herunter, werden pro Tag im Landkreis 30.000 solcher Coffee-to-go-Becher entsorgt, weiß Groß.

Idee aus Heidelberg

Ein Coffee to go ist für viele Menschen inzwischen ein Lifestyle-Produkt. Dass die Umwelt da nicht auf der Strecke bleiben sollte, versteht sich von selbst.
Ein Coffee to go ist für viele Menschen inzwischen ein Lifestyle-Produkt. Dass die Umwelt da nicht auf der Strecke bleiben sollte, versteht sich von selbst.

Die schiere Zahl der Becher hat unter anderem Susanne Breuer vom Abfallwirtschaftsbetrieb im Landratsamt auf die Idee gebracht, hier gegenzusteuern. Mit ihrem Chef Norbert Raatz und Michael Groß machte sie sich auf die Suche nach einem Ansatzpunkt. Das Trio wurde in Heidelberg fündig. Dort hatte die Klimaschutz-Plus-Stiftung und die Klimaschutz- und Beratungsagentur Kliba bereits ein Konzept erarbeitet.

Die Idee: Wer wirklich einen Einweg-Becher nutzen möchte, soll dafür auch einen Umweltbeitrag von zehn Cent mitbezahlen. Die Bäckereien haben sich bereiterklärt, diesen Aufschlag getrennt auszuweisen und in voller Höhe an einen Landkreis-Bürgerfonds zu überweisen. Das Geld kommt dann in voller Höhe Klimaschutzprojekten zugute - ein kleiner Teil auch sonstigen gemeinnützigen lokalen Projekten.

 

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Plastik- und Pappbecher sollen gar nicht mehr verwendet werden

Rechnet man die täglich weggeworfenen Becher hoch und multipliziert die Zahl mit den zehn Cent, kommt man innerhalb von Monaten auf einen sechsstelligen Betrag. Viel Geld, mit dem auch viel Gutes angestoßen werden kann. Doch darauf ist der Energiebeauftragte Groß gar nicht scharf. "Es soll damit kein Ablasshandel betrieben werden. Die Menschen sollen verstehen, dass es eigentlich darum geht, die Plastik- und Pappbecher gar nicht mehr zu verwenden." Wenn das nicht geht, dann sollten sie so fair sein und die Kosten, die der Becher für die Allgemeinheit verursacht, übernehmen.

Dass dieses Climate-Fair-to-go-Konzept aufgehen kann, hat sich in kleinerem Maßstab bereits in Heidelberg und Konstanz gezeigt. "In der Konstanzer Mensa haben sich viele Studenten plötzlich hingesetzt zum Kaffeetrinken", erzählt Groß.

 

Geben den Startschuss für das neue Kaffeebecher-Konzept: Özlem Yag (Bäckerei Förch, von links), Susanne Breuer (Abfallwirtschaftsbetrieb, Landratsamt Heilbronn), Michael Groß (Projektleiter Energie und Klima, Landratsamt Heilbronn), Nicolas Härdtner (Bäckerei Härdtner), Rüdiger Stengel (Bäckerei Stengel), Corina Stoll (Genussmeisterei Stoll), Johannes Hirth (Bäckerei Hirth), Reinhard Stoll (Genussmeisterei Stoll), Markus Hönnige (Bäckerei Hönnige), Yannick Hake (Klimaschutz+ Stiftung), Bernhard Kuhn (Bäckerei Skala), Simone Hartmann (Bäckerei Härdtner).
Geben den Startschuss für das neue Kaffeebecher-Konzept: Özlem Yag (Bäckerei Förch, von links), Susanne Breuer (Abfallwirtschaftsbetrieb, Landratsamt Heilbronn), Michael Groß (Projektleiter Energie und Klima, Landratsamt Heilbronn), Nicolas Härdtner (Bäckerei Härdtner), Rüdiger Stengel (Bäckerei Stengel), Corina Stoll (Genussmeisterei Stoll), Johannes Hirth (Bäckerei Hirth), Reinhard Stoll (Genussmeisterei Stoll), Markus Hönnige (Bäckerei Hönnige), Yannick Hake (Klimaschutz+ Stiftung), Bernhard Kuhn (Bäckerei Skala), Simone Hartmann (Bäckerei Härdtner).

 

 

Der Landkreis Heilbronn ist nun der erste große Partner mit acht großen und kleinen Bäckereien, die mitmachen. An Dutzenden Verkaufsstellen werden künftig Climate-Fair-to-go-Plakate auf die Teilnahme hinweisen. Zum Beispiel auch in der Genussmeisterei von Corina Stoll in Talheim. Sie ist guter Dinge, dass die Kundschaft die Idee versteht. "Man muss es eben gut rüberbringen." Da die zehn Cent an den Klimafonds gehen, erwartet sie keine Diskussionen.

Das Projekt macht an den Landkreis-Grenzen allerdings nicht Halt. Auch in den Heilbronner Filialen von Härdtner, Mitterer und Förch dürfen Kunden mit den zehn Extra-Cent rechnen, die an den Landkreis-Fonds gehen. Die Stadt Heilbronn arbeitet an einem eigenen Konzept, hält sich aber bedeckt: "Es laufen momentan mehrere Gespräche, um ein nachhaltiges und attraktives System sobald wie möglich und unter möglichst breiter Beteiligung einzuführen", erklärt ein Sprecher auf Anfrage. Viel wichtiger für den Verbraucher aber ist: Selbst mitgebrachte, saubere Mehrwegbecher können überall befüllt werden.

Diese Betriebe machen mit

Härdtner, Mitterer, Stengel, Stoll, Förch, Hönnige, Skala, Hirth - Verkaufsstellen dieser acht Bäckereien im Landkreis werden ab sofort eine Umweltabgabe von zehn Cent pro Einwegbecher verlangen und dieses Geld an einen Landkreis-Bürgerfonds abführen. In diesen Bäckereien gibt es auch eine limitierte Zahl von Porzellanbechern.

Der Landkreis hat 2000 dieser besonders langlebigen und spülmaschinenfesten Becher gekauft - 15.000 Euro haben sie gekostet. Kunden erhalten einen Becher beim Kauf einer Bonuskarte für fünf Heißgetränke kostenlos. Wer die fünf Stempel auf einer Bonuskarte voll hat, bekommt obendrein ein sechstes Getränk gratis. Das Projekt ist offen für weitere Partner. Wer Interesse hat, darf sich bei Michael Groß im Landratsamt melden.

Weitere Informationen und eine Übersicht über die teilnehmenden Betriebe gibt es im Internet unter www.climatefair2go.de

 

 

Die Menschen sollen sich mit dem Thema "Coffee to go" auseinandersetzen, nicht mit Konzepten
Ein Kommentar von  Christian Gleichauf

Christian Gleichauf
Christian Gleichauf

Umweltkosten sichtbar machen und die Menschen zu nachhaltigem Handeln bewegen. Es ist ein gut durchdachtes Konzept, das der Landkreis mit seinen Partnern hier umsetzt. Anhand der Einweg-Zuschläge, die an den Klimaschutzfonds des Landkreises abgeführt werden, wird in den nächsten Jahren abzulesen sein, ob die Menschen wirklich umdenken. Der Wermutstropfen dabei ist, dass nicht alle Coffee-to-go-Verkäufer mitmachen.

Und nicht nur das. Wenn der Vorsitzende der Klimaschutz-Plus-Stiftung aus Heidelberg die Landkreis-Verantwortlichen dafür lobt, wie unkompliziert die Zusammenarbeit war, dann fragt man sich unweigerlich, warum diese unkomplizierte Zusammenarbeit nicht mit der Stadt Heilbronn funktioniert. Die sollte zwei Jahre vor der Buga doch ein Interesse daran haben, auch hier etwas Beispielhaftes auf den Weg zu bringen. Auf den fahrenden Landkreis-Zug aufzuspringen, kam für die Heilbronner aber offenbar nicht infrage. Wurden sie zu spät gefragt? Hatten sie eigene Vorstellungen? Antworten gibt es keine.

Regionale Einheit bleibt - wieder einmal - nur ein Lippenbekenntnis. Nun ist der Zug für die Stadt Heilbronn abgefahren, und man darf gespannt sein, ob sie bald eine bessere Idee präsentiert. Die müsste es schon sein, will man gegen ein existierendes System ankommen. Wahrscheinlicher ist, dass es nur darum geht, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Umweltschutz ist offenbar ein tolles Thema zur Selbstvermarktung. Dabei wäre der Becher mit Heilbronn-Schriftzug doch sicher auch gemeinsam mit dem Landkreis möglich gewesen. Blöd, wenn im Namen der Nachhaltigkeit Zeit, Steuergeld und Aufmerksamkeit der Menschen verschwendet wird.

Ihre Meinung? christian.gleichauf@stimme.de

 
 
 
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