Spätregenmission bereitet Ausverkauf vor
Die Geldnöte der Glaubensgemeinschaft mit Sitz in Beilstein wachsen. Rentenversicherungen fordern in 150 Fällen eine Nachversicherung ein. Wie die Mission auf die drohende Insolvenz reagiert.

Die Deutsche Spätregenmission (DSM) kämpft um das wirtschaftliche Überleben. Wie interne Dokumente belegen, haben die Mitglieder den Vorstand inzwischen ermächtigt, fast 80 Grundstücke und einen Bauernhof in Beilstein zu verkaufen.
In einer Versammlung wurde den Mitgliedern erklärt, dass dem Vorstand rund 150 Bescheide von Rentenversicherungen vorliegen. Diese fordern die Mission dazu auf, für ausgeschiedene Glaubenshausbewohner Rentenbeiträge nachzuzahlen. Der Missionsvorstand beantwortet Fragen der Heilbronner Stimme nicht. Intern ist aber von Gesamtforderungen in Millionenhöhe die Rede.
Versorgungszusage für ältere Missionsmitglieder
Die Deutsche Spätregenmission argumentiert offiziell, dass sie ihren Mitgliedern eine Versorgungszusage auch für das Alter gegeben hat und deshalb keine Beiträge in die Rentenversicherung überweisen muss. Das sehen die Rentenversicherungsträger anders. Derzeit offenbar in 150 Fällen.
Der Vorstand geht davon aus, dass diese vor dem Sozialgericht geklärt werden müssen - schnelle Lösungen sind also nicht in Sicht. Nach Informationen der Heilbronner Stimme hat die Rentenversicherung Westfalen vier Bescheide verschickt, auf die die Mission sofort reagieren und die Forderungen begleichen muss. Zwangsvollstreckung wurde angedroht.
Ob die Anwälte der Mission dies vorerst abwenden konnten, ist unklar. Die Rentenversicherung Baden-Württemberg verlangt inzwischen Säumniszuschläge. Die Spätregenmission zielt auf einen Vergleich mit den Rentenversicherungsträgern ab, um die DSM erhalten zu können. Dafür benötigt der Vorstand finanziellen Handlungsspielraum. Den haben die Mitglieder in einer Versammlung im Juli gewährt. Ohne Gegenstimme ermächtigten sie den Vorstand beispielsweise, einen Bauernhof mit den dazugehörigen Grundstücken zu veräußern.
Grundstück in kommendem Baugebiet
Der Glaubensgemeinschaft gehört in Beilstein auch ein 1700 Quadratmeter großes Grundstück, das als Teil des neuen Bebauungsplans "Hartäcker" vergleichsweise viel Geld einbringen könnte. Beilsteins Bürgermeister Patrick Holl erklärt, dass sich die Stadt per Veränderungssperre für den gesamten Geltungsbereich des Bebauungsplans ein Vorkaufsrecht gesichert hat. "So können wir Grundstücksspekulationen vermeiden", sagt Holl der Stimme. Der Vorstand sei bislang noch nicht auf ihn zugekommen. Anlagen in Porta Westfalica will die DSM ebenfalls verkaufen.
Wert des Missionsvermögens unklar
Welchen aktuellen Wert der Missionsbesitz hat, ist unklar. Im Protokoll einer Mitgliederversammlung aus dem Jahr 2009 wird das DSM-Eigenkapital einmal auf 4,5, dann auf elf Millionen Euro beziffert. Der Widerspruch lässt sich ohne tiefere Einblicke nicht auflösen.
Kritische Beobachter fürchten, dass die Mission mit dem scheibchenweisen Verkauf ihres Besitzes auf eine drohende Insolvenz reagiert, möglichst viel Kapital in Sicherheit bringen will. In einem Zukunftskonzept aus dem Jahr 2016 spielt die Spätregenmission verschiedene Szenarien durch, wägt Vor- und Nachteile einer Insolvenz ab. Dann, so das Konzept, gebe es keine Möglichkeit, das Wohnrecht der Glaubenshausbewohner abzusichern. In der Mitgliederversammlung im Juli 2017 deutete der DSM-Vorstand gar an, dass die Mission ihre Versorgungszusage unter Umständen nicht aufrecht erhalten kann - wenn Personal und finanzielle Mittel fehlen.
Die Heilbronner Stimme hatte der Spätregenmission und deren Anwälten einen Fragenkatalog zugeleitet. Da der Vorstand keine Möglichkeit einer fairen Berichterstattung sehe und die Fragen sich zum größten Teil auf interne Vorgänge bezögen, sehe die DSM von einer Stellungnahme ab.
Kommentar "Entwürdigend"

Der Deutschen Spätregenmission steht das Wasser bis zum Hals. Dass der Vorstand mit allen Mitteln gegen den drohenden Untergang kämpft, ist nachvollziehbar - so lange alles mit rechten Dingen zugeht. Die Mitgliederversammlung im Juli lässt allerdings vermuten, dass die Glaubensgemeinschaft die Steuerzahler in die Mitverantwortung nehmen will. So rechnete ein Vorstandsmitglied vor, dass es im Grund egal ist, ob Missionsmitglieder 100 Euro mehr oder weniger Rente bekommen. Die aus Steuermitteln bezahlte Grundsicherung liege in jedem Fall höher. Oder: Wenn die Mission die Versorgungszusage nicht halten könne, stehe ebenfalls die Grundsicherung zur Verfügung. Im Klartext: Die Spätregenmission profitiert jahrzehntelang von der harten Arbeit der Missionsmitglieder, nutzt ihren Sonderstatus als Glaubensgemeinschaft, transferiert Geld und Güter in die Zentrale nach Südafrika - und am Ende finanzieren womöglich die Steuerzahler die Altersversorgung der frommen Menschen.
Das ist ein Ärgernis für die Allgemeinheit. Schlimmer noch: Das ist entwürdigend für die Menschen, die sich der Deutschen Spätregenmission anvertraut haben.