"Wir haben schon viele Existenzen kaputtgehen sehen"
Region - Siegfried Bauer über das Problem geschlossener Immobilienfonds

Region - Lange war es um die DG-Immobilienfonds still gewesen, jetzt sind sie wieder im Gespräch. Gerichte haben Schadensersatzforderungen geschädigter Anleger stattgegeben. Genossenschaftsbanken aus der Region, die Beteiligungen an den Fonds einst als sichere Altersvorsorge verkauften, müssen sich nun für deren Pleite verantworten. Indes: Das ist nur die Spitze des Eisbergs, das Problem geschlossener Immobilienfonds ist viel größer, sagt Siegfried Bauer, Vorstand des Forums Anlegerhilfe e.V., im Gespräch mit Werner Tewes.
Herr Bauer, Millionenforderungen kommen auf die Genossenschaftsbanken zu. Wie bewerten Sie das?
Siegfried Bauer: Einst sicher geglaubte DG-Fonds sind in den letzten Jahren notleidend geworden. Die verbliebenen Restwerte sind zum Teil erschreckend, ähnlich wie bei vielen weiteren geschlossenen Immobilienfonds. Die Banken haben gewusst, was sie da finanzieren. Wir haben schon viele Existenzen kaputtgehen sehen, verursacht durch solche Fondsbeteiligungen.
Wie viele Geschädigte gibt es Ihrer Schätzung nach in der Region?
Bauer: Im Großraum Heilbronn gehen wir von mindestens 30 000 aus. Unser Forum allein hilft derzeit etwa 600 Geschädigten.
Welche Beträge wurden investiert?
Bauer: Das sind Beteiligungen ab etwa 15 000 bis 100 000 Euro. In Einzelfällen haben zum Beispiel Ärzte oder Unternehmer aber auch deutlich höhere Summen angelegt, was im Totalverlust endete.
Es wurde ja in Immobilien investiert, die eigentlich als wertbeständig gelten. Wieso der Verlust?
Bauer: Zum einen wurden hohe Provisionen an Vermittler, auch an Banken, bezahlt. Oft über 20 Prozent der investierten Summen. Zum anderen waren weitere hohe Gebühren, etwa für Mietgarantie, Finanzierungsvermittlung, Steuerberatung oder Treuhänder einkalkuliert. Zudem wurden von den Verantwortlichen in vielen Fällen schon beim Objekteinkauf hohe Zwischenhandelsgewinne erzielt − zu Lasten der Anleger. Teilweise wurden da Millionen innerhalb weniger Tage verdient.
Würden Sie von Betrug reden?
Bauer: Durchaus. Die Anleger wurden fast immer mit Steuervorteilen, Zusatzrenten oder Wertsteigerung geködert. Beteiligungen wurden als sicher dargestellt. Über die Risiken wurde in der Regel nicht gesprochen, das hätte ja nicht zum Abschluss − sprich zur Provision − geführt. Auch Banken arbeiten so. Viele Berater stehen unter Druck, da gerät das Kundeninteresse leicht in den Hintergrund.
Aber wäre der Kunde nicht gefordert gewesen, sich selbst zu informieren?
Bauer: Wie soll denn ein gelernter Schlosser oder Metzger ein solch schwieriges Finanzkonstrukt wie einen Immobilienfonds mit viel Kleingedrucktem und seitenlangen Verträgen verstehen? Da sind oft sogar Steuerberater überfordert.
Wie können Geschädigte denn mit dem Kapitel abschließen?
Bauer: Der Einzelne hat gar keine Chance. Kündigungen sind oft erst nach 20 oder 25 Jahren möglich. Viele Fonds sind da schon lange insolvent. Sie aufzulösen funktioniert nur über Mehrheitsbeschlüsse in Gesellschafterversammlungen. Dies verhindern jedoch meist die Fondsgeschäftsführer, weil sie − anders als die Anleger − an dem Geschäft ziemlich gut verdienen.
Also ein hoffnungsloser Fall?
Bauer: Nein, die Anleger können auch mit unserer Hilfe Gemeinschaften gründen, um ihre Interessen zu bündeln. Wir haben daneben noch eine Verwertungsgesellschaft, mit der wir bereits 23 Fonds übernommen haben und auflösen. Die ersten Objekte haben wir verkauft, die Anleger bekommen das übriggebliebene Geld ausbezahlt.
Macht Ihnen denn Hoffnung, dass die Gerichte zunehmend verbraucherfreundlich entscheiden?
Bauer: Seit 2000 hat sich da viel getan − aber nur, weil einzelne Betroffene und Anlegerschützer sich wehren. Man sollte sich nicht einfach in sein Schicksal ergeben. Mit vielen Banken konnten wir darüber hinaus in Zusammenarbeit mit Rechtsexperten gute Vergleiche schließen. Wir haben so für einige Tausend Geschädigte in unseren Interessengemeinschaften hohe Darlehensnachlässe oder Rückzahlungen erreicht, in Summe etwa 70 Millionen Euro.