Todesfalle Überland-Stromleitung
Region Heilbronn - Der Fall vom Wochenende aus dem Kreis Rastatt ist spektakulär: Ein Greifvogel gerät an eine Hochspannungsleitung, bekommt einen Stromschlag, fällt brennend zu Boden und löst einen Grasbrand aus. Was die örtliche Feuerwehr sehr erstaunt, ist für Vogelschützer nicht neu.

Region Heilbronn - Der Fall vom Wochenende aus dem Kreis Rastatt ist spektakulär: Ein Greifvogel gerät an eine Hochspannungsleitung, bekommt einen Stromschlag, fällt brennend zu Boden und löst einen Grasbrand aus. Was die örtliche Feuerwehr sehr erstaunt, ist für Vogelschützer nicht neu. „Leider“, sagt Torsten LeLeux, der Leiter der Deutschen Greifenwarte auf Burg Guttenberg. „Ich vermute, dass jedes Jahr in Deutschland eine fünfstellige Zahl von Vögeln durch Stromschlag verletzt oder getötet wird.“
Sorgenkinder
Auch in der Region passieren Unglücke. Oft kommen die Tiere dann zu Helmut Weber, dem Leiter der Nabu-Greifvogelpflegestation in Bad Friedrichshall-Kochendorf. 20 bis 30 Stromschlag-Patienten erhält er übers Jahr. „Die Dunkelziffer von Opfern ist aber höher.“ Denn anders als bei Unfällen mit Autos werden die Vögel nur selten von Menschen gefunden.
Wenn doch, kann der Tierarzt oft nur noch einschläfern. „Da stirbt viel Gewebe ab, das verbrennt oder verkocht bei lebendigem Leib“, sagt LeLeux. Sind der Fang oder ein Bein abgestorben, gibt es keine Hilfe.
Problematisch sind Mittelspannungsnetze, wie es sie zwischen Ortschaften gibt. Sitzen Vögel auf den Leitungen, passiert nichts. Geraten Greif- oder große Vögel wie Störche und Reiher mit ihren Flügeln zugleich an die Masten, bekommen sie einen Schlag von bis zu 30 000 Volt. Es besteht dann eine Verbindung zur Erde. „Ich hatte einen Fall, da ist das Tier regelrecht explodiert“, sagt LeLeux. Doch was tun? EnBW, Süwag und Zeag erklären unisono, man habe bereits alles Notwendige gemacht. Der Gesetzgeber verlangt von den Netzbetreibern bis 2012 Vogelschutzmaßnahmen an ihren Mittelspannungsleitungen umzusetzen. „Das haben wir schon heute erfüllt“, sagt Süwag-Sprecherin Birgit Feltl. Die EnBW eklärt, dem Maßnahmenkatalog schon seit Ende 2002 zu genügen. „Über 46 000 vogelgefährdende Mittelspannungsmasten wurden entschärft“, sagt Sprecher Jürgen Kaupp. Die Zeag sieht sich im Einklang mit den Empfehlungen der Naturschutzverbände und hat keine Kenntnis von Unfällen mit Vögeln.
Also alles im Lot?
„Man könnte natürlich immer noch mehr machen“, sagt EnBW-Sprecher Kaupp. Alle 28 700 Kilometer Mittelspannungsleitungen der EnBW in Baden-Württemberg komplett zu schützen, „ist aber nicht möglich“. Vielleicht auch nicht nötig. Denn nicht überall kreuzen die Stromleitungen den Lebensraum der fliegenden Jäger. Zum anderen geht es aber auch um Geld. Die Bundesnetzagentur erkennt weitergehende Maßnahmen als im Bundesnaturschutzgesetz gefordert nicht an. Die Netzbetreiber können ihre Investitionen damit nicht umlegen. Das schmälert ihr Interesse.
Fressen für den Fuchs
Helmut Weber vom Nabu bescheinigt den Unternehmen dennoch Kooperationsbereitschaft. „Wenn man den Stromkonzernen Problemstellen zeigt, sind sie schon bereit, die Masten umzurüsten.“
Doch der Nachweis der Gefahrenstellen ist schwierig. „Wir dokumentieren die uns bekannten Fälle. Die Vögel werden aber oft zuvor vom Fuchs geholt“, sagt LeLeux. Brigitte Kaltenleitner von der Burgfalknerei Hohenbeilstein sieht die Konzerne ohnehin in der moralischen Pflicht zu weitergehenden Maßnahmen. „Die machen viel Gewinn. Dann sollen sie auch viel tun.“