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Richter sehen in Neonazi-Demo keine unmittelbare Gefahr

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Verwaltungsgericht kippt Verbot der Stadt − Rathaus geht in nächste Instanz

Von Carsten Friese
Vorne Polizei, hinten Neonazis: der letzte Aufmarsch Anfang April.Foto: Friese
Vorne Polizei, hinten Neonazis: der letzte Aufmarsch Anfang April.Foto: Friese

Heilbronn - Der Großaufmarsch süddeutscher Neonazis am 1. Mai in Heilbronn wird immer wahrscheinlicher. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat am Mittwoch das von der Stadt Mitte März verhängte Demo-Verbot aufgehoben. Die Richter kommen nach einer Prüfung im Eilverfahren zu dem Schluss, ein Verbot lasse sich "nicht in verfassungsrechtlich zulässiger Weise auf eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit stützen".

Gespür Heilbronns Ordnungsbürgermeister Harry Mergel kündigte postwendend an, gegen die Entscheidung beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim Rechtsmittel einzulegen. Die Begründung der Stuttgarter Richter nannte er nicht überzeugend. "Man spürt zwischen den Zeilen, dass ihnen die Entscheidung nicht leicht gefallen ist." Auch vor dem Hintergrund der multiethnischen Bevölkerungsstruktur in der Stadt werde man alle rechtlichen Schritte unternehmen, "um einen Aufmarsch von Ewiggestrigen zu unterbinden".

Für die Richter hat die Stadt Heilbronn keine ausreichende Rechtsgrundlage für einen Eingriff in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Eine Behörde könne einen Aufzug verbieten, wenn die Sicherheit "unmittelbar gefährdet ist". Die vorgelegten Punkte der Stadt stützen diese Gefährdung von Leben, Gesundheit, Eigentum oder Vermögen demnach nicht. Und: Ein Gefahrenpotenzial, das durch gewaltbereite Gegendemonstranten drohe, sei dem Antragsteller der Versammlung, also den Neonazis, "nicht zurechenbar". Vielmehr habe die Polizei mit den Veranstaltern "nach Lösungen zu suchen" und ausreichend Kräfte bereitzustellen.

Dass am 1. Mai Weißer Sonntag ist, lassen die Juristen ebenfalls nicht gelten. Das Recht auf Versammlungsfreiheit trete nicht gegenüber dem Recht auf Religionsfreiheit vollständig zurück. Eine ausländerfeindliche Grundrichtung können die Richter zwar im Titel der Neonazi-Demo "Fremdarbeiterinvasion stoppen" erkennen − Volksverhetzung jedoch nicht. Einen Straftatbestand sehen sie hier ebensowenig belegt wie in Aussagen auf der Homepage der Rechtsextremen, in denen Gewerkschaften als "Arbeiterverräter" bezeichnet wurden.

Erniedrigt Bernhard Löffler, DGB-Regionsvorsitzender und Organisator des breiten Gegenbündnisses "Heilbronn sagt Nein", ist enttäuscht vom Stuttgarter Beschluss. Er hätte es begrüßt, wenn Richter einmal sagen würden, solche Aufmärsche "haben nichts mit Demokratie zu tun".

Für Ferhat Dag, Mitglied im Heilbronner Integrationsbeirat, ist der Richterbeschluss eine schlechte und falsche Entscheidung. Beim Aufmarsch vieler Neonazis werden sich die vielen Migranten in der Stadt "erniedrigt und unwohl fühlen".

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