Lesezeichen setzen Merken

Jagsttalbrücke wird bis 2012 saniert

   | 
Lesezeit  4 Min
Erfolgreich kopiert!

Region - Seit Anfang der 70er Jahre dominiert eine Stahlbrücke das Jagsttal bei Widdern. Täglich rollen 35.000 Fahrzeuge darüber. Jetzt muss sie generalsaniert werden. Während der Bauphasen ist mit Verkehrsbehinderungen zu rechnen.

Von Christian Gleichauf




>>Aktuelle Verkehrsnachrichten

Widdern - Enrico Hinz wartet, bis der Lärm seine Worte nicht mehr verschluckt. "Diese Schläge, das sind die Lkw, die über den kaputten Fahrbahnübergang rollen." Der Mann vom Regierungspräsidium muss laut reden, seine Stimme hallt von den Stahlwänden zurück. Gemeinsam mit dem stellvertretenden Leiter des Baureferats Nord, Markus Metz, inspiziert er das Innere der längsten und höchsten Brücke der Region, der Jagsttalbrücke. Sie laufen durch den rund 900 Meter langen "einzelligen Stahlhohlkasten", der unter der Fahrbahn für die Stabilität der Brücke sorgt. Nach 40 Jahren steht bis 2012 eine umfassende Sanierung an. Enrico Hinz ist verantwortlich für das Projekt.

Von Rost, der sich außen an den Flanken, an den Geländern und auf der sogenannten Mittelkappe gebildet hat, ist hier unten nichts zu sehen. Die Konstruktion im Innern des Stahlschlauchs erscheint nahezu makellos, und die Statik des knapp 40 Jahre alten Bauwerks sei keinesfalls gefährdet, wie die Experten des Regierungspräsidiums erklären. Anfang der 90er Jahre gab es einen neuen Anstrich, außen blau, innen silbergrau. Dieser Korrosionsschutz verhindert Rostansatz, solange nicht Wasser und Streusalz an ihm nagen.

Problematisch war deshalb, dass vor einigen Jahren ein Ablauf der darüberliegenden Autobahn undicht war und das Wasser mehrere Zentimeter hoch im Hohlkörper stand. Enrico Hinz zeigt auf den Stahl unter sich: "Hier sieht man noch die weißen Spuren vom Salzwasser." Im Zuge der Arbeiten sollen nun Löcher in das 1,2 Zentimeter starke Bodenblech gebohrt werden, damit das Wasser im Fall der Fälle zumindest nicht mehr stehen bleibt.

Ohrenbetäubend

Ein neues, noch lauteres Geräusch überlagert die fortwährenden Schläge. Hinz" Finger geht jetzt nach oben. "Das ist wohl der Bagger, der oben den Belag wegkratzt", sagt er, als es kurz ruhiger wird. Der Bautrupp der Firma Max Bögl aus Bayern ist seit vergangenem Montag bei der Arbeit und wird in den nächsten zweieinhalb Jahren unter anderem die Fahrbahn erneuern.

Die Planung dafür war nicht ganz einfach. Die vier Fahrspuren passen momentan noch nicht auf eine Seite, weil dafür die Fahrbahn zu schmal ist. Unter anderem deshalb ersetzt die Firma Bögl im ersten Bauabschnitt die vier Meter breite Mittelkappe. Das Stahlbauteil, das keine tragende Funktion hat, ist korrodiert, teils sogar durchgerostet. Die neue Mittelkappe ist nur 1,75 Meter breit und lässt somit mehr Platz für die Fahrbahn. Dadurch können in den nächsten zwei Baustufen 2011 und 2012 alle vier Spuren auf jeweils eine Seite verlegt werden, um auf der anderen den Belag zu ersetzen.

Schwarzes Loch Enrico Hinz und Marcus Metz steigen eine Leiter nach unten in einen der hohlen Betonpfeiler, die die Brücke tragen. Ein einfaches Schachtgitter dient hier als Fußboden, darunter geht es in ein schwarzes Loch, das bis auf den Talboden reicht. Das Geräusch des vibrierenden Stahls ist jetzt kaum noch zu hören, kühler Wind bläst unter der Brücke hindurch.

Der Spalt zwischen Brücke und Pfeiler gibt den Blick auf das Jagsttal frei. Oben sind aus nächster Nähe die Löcher auszumachen, durch die bislang das Regenwasser von der Brücke im freien Fall in die Landschaft plätschert. "Auch diese Entwässerung wird komplett erneuert", erklärt Enrico Hinz. "Es gibt momentan ja keinen Havarieschutz." Ereignet sich ein größerer Unfall auf der Brücke, sind Öl oder andere giftige Stoffe nicht mehr aufzuhalten.

"Künftig geht das Wasser zuerst in einen Öl- und Leichtstoffabscheider und wird dann über einen Vorfluter in die Jagst geleitet", erklärt Markus Metz. "Wir bringen jetzt alles auf den Stand der Technik, soweit das möglich ist." 15 Millionen Euro kostet die Sanierung der ursprünglich einmal 55 Millionen Mark teuren Jagsttalbrücke. Es ist das aufwendigste Projekt der vergangenen fünf Jahre in der Region.

Noch lange nicht veraltet ist die mit unzähligen Schweißnähten übersäte Konstruktion über dem Kopf der Baufachleute. Die Jagsttalbrücke ist die erste Talbrücke Deutschlands, die quasi aus einem Stahlteil besteht. Anstatt die Einzelteile zu verschrauben, wie es damals üblich war, habe die Firma Krupp vorgeschlagen, die vorgefertigten Bleche des Stahlkastens auf der Baustelle zu verschweißen, erzählt Hinz. "Das wird auch heute noch so gemacht." Und über die Statik müsse man sich trotz der steigenden Belastung durch den Schwerlastverkehr keine Gedanken machen.

Ausdehnung

Was das Bauwerk alles mitmacht, das ist an einer Skala abzulesen, die am Auflagepunkt der Brücke auf dem Pfeiler angebracht ist. Hier läuft das gesamte Bauwerk auf einer Schiene, damit es sich bei Wärme ungehindert ausdehnen kann. Um insgesamt bis zu 70 Zentimeter verlängert sich die Brücke im Sommer. Momentan steht der Zeiger bei minus drei Zentimetern. "Null wird bei etwa zehn Grad angenommen", sagt Hinz.

"Wenn hier unten oder an den Flanken unterhalb der Geländer gearbeitet wird, dann ist oben auf der Fahrbahn natürlich wenig zu sehen", sagt Markus Metz. Da frage sich sicherlich mancher Autofahrer: Was machen die hier eigentlich? Dabei gibt es unter der Brücke einiges zu tun. Der Beton der tragenden Säulen etwa muss saniert werden, innen wie außen. Auf 30 000 Quadratmeter summiert sich die Fläche − das entspricht fast vier Fußballfeldern. Eine Beschichtung soll die poröse Oberfläche vor Umwelteinflüssen schützen. Allein diese Instandsetzung kostet eine Million Euro.

Aussichten

Metz und Hinz klettern wieder nach oben. Es geht zurück zum sogenannten Widerlager der Brücke, wo Bauwerk und Berg aufeinandertreffen. In anhaltender Unregelmäßigkeit hämmern dort die Stahlteile des Fahrbahnübergangs aufeinander, sobald einer der täglich 5000 Lkw darüberrollt. In drei Jahren sollen die Widderner davon nicht mehr belästigt werden. "Im neuen Bauteil sorgen Lamellen für eine Lärmreduzierung", meint Hinz.

Dann geht es aus der Unterwelt nach oben, auf die Autobahn. Verkehr rechts, Verkehr links, dazwischen die Baustelle mit Aussicht. Die Arbeiter montieren gerade die Mittelleitplanke ab. Enrico Hinz hat sich mit seinem Projekt angefreundet: "Als Ingenieur finde ich, das ist eine besonders schöne Brücke."

Top 6 der längsten Brücken

Für 600 Brückenbauwerke ist das Heilbronner Baureferat Nord des Regierungspräsidiums Stuttgart zuständig. Die größten Brücken in Stadt- und Landkreis Heilbronn sowie dem Hohenlohekreis sind:
  1. Jagsttalbrücke (A81) bei Widdern mit 900 Metern Länge, 80 Meter hoch.
  2. Neckartalbrücke (A 6) bei Heilbronn, deren längstes Teilstück 590 Meter lang ist. Die Gesamtlänge des aus vier Bauwerken bestehenden Übergangs beträgt 1320 Meter.
  3. Kochertalbrücke (A 81) bei Neuenstadt mit 475 Metern Länge.
  4. Brettachtalbrücke (A 81) bei Neuenstadt mit etwa 385 Metern Länge.
  5. Eberbachtalbrücke (A 81) bei Heilbronn mit etwa 320 Metern Länge. 6. Maßholderbachtalbrücke (A6) bei Öhringen, Länge etwa 300 m.

  
  Nach oben