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„Das Amt macht ernster und nachdenklicher“

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Neckarsulm - Volker Blust geht nach 16 Jahren als Oberbürgermeister Neckarsulms in den Ruhestand. Über die herausgehobene Rolle der Stadt und deren Besonderheiten sprachen Reto Bosch und Heike Kinkopf mit dem scheidenden Rathauschef.

Volker Blust stand 16 Jahre lang an der Spitze des Neckarsulmer Rathauses. In dieser Zeit wurden viele Projekte verwirklicht.Foto: Ulrike Kugler
Volker Blust stand 16 Jahre lang an der Spitze des Neckarsulmer Rathauses. In dieser Zeit wurden viele Projekte verwirklicht.Foto: Ulrike Kugler

Neckarsulm - Volker Blust geht nach 16 Jahren als Oberbürgermeister Neckarsulms in den Ruhestand. Über die herausgehobene Rolle der Stadt und deren Besonderheiten sprachen Reto Bosch und Heike Kinkopf mit dem scheidenden Rathauschef.

Herr Blust, Ihre Verabschiedung steht kurz bevor. Wie geht es Ihnen vor diesem festlichen Akt?

Volker Blust: Es sind gemischte Gefühle. Einerseits freue ich mich auf die neu gewonnene Freiheit, Dinge zu tun, die angesichts meiner Arbeitsbelastung und vollem Terminkalender bislang nicht möglich waren. Ich gehe aber auch mit Wehmut nach einem fast 48-jährigen Berufsleben, davon 16 Jahre als Oberbürgermeister. Mir hat die Arbeit stets Freude gemacht und Erfüllung gegeben, ich bin immer gern ins Rathaus gegangen.

Was werden Sie am meisten vermissen?

Blust: Den Kontakt mit vielen Bürgern. Die vielen und vielseitigen Begegnungen. Es zählt zu den Vorzügen meines Berufs, zahlreiche Menschen kennenzulernen.

Sie arbeiten seit 32 Jahren in Neckarsulm. Zunächst als Hauptamtsleiter, später als OB. Wie hat sich die Stadt verändert?

Blust: Drei Bereiche machen die Entwicklung deutlich. Die Einwohnerzahl ist von 1976 bis heute von 20.079 auf 27.500 gestiegen. Die Zahl der Arbeitsplätze kletterte von 13.757 auf 28.500. Und das Haushaltsvolumen hat von 25 Millionen auf fast 200 Millionen Euro zugenommen. Wir unterscheiden uns von anderen Großen Kreisstädten deutlich. In der Relation Einwohner/Arbeitsplätze stehen wir im Land an der Spitze. Neckarsulm hat einen sehr niedrigen Gewerbesteuer-Satz und eine hohe Finanzkraft.

Hat sich die Stadt auch abseits der wirtschaftlichen Entwicklung verändert?

Blust: Wir haben die Infrastruktur in Neckarsulm stark ausgebaut und auf einen hervorragenden Stand gebracht. Das Verhältnis zwischen Bürgern, Verbänden, Kirchen und Stadt war früher schon gut und ist es heute noch. Das wird auch anerkannt.

Wie haben Sie sich verändert in dieser Zeit?

Blust: Ich habe mich wenig verändert im Umgang mit Mitbürgern und meinen Mitarbeitern. Das Amt des OB macht aber ernster und nachdenklicher. Man trägt viel Verantwortung.

Wie haben Sie den Spagat zwischen Privatleben und öffentlicher Person geschafft?

Blust: Als ich 1992 gewählt wurde, waren meine Kinder schon groß. Meine Frau hat das Amt immer mitgetragen, sie musste mich oft entbehren.

Sie haben Ihre Kollegen nie spüren lassen, dass Neckarsulm der wichtigste Zahler im Landkreis ist. Trotzdem: Spürten Sie eine besondere Verantwortung für die gesamte Region?

Blust: In der Tat trägt der Neckarsulmer OB nicht nur Verantwortung für die Stadt, sondern auch Mitverantwortung für den gesamten Landkreis. Der profitiert von Kreisumlage und Arbeitsplätzen. Es ist nicht meine Art zu prahlen. Meine Kollegen waren dankbar, dass es Neckarsulm so gut geht.

Gibt es auch Neider?

Blust: Ich denke, dass die Kollegen nicht neidisch sind. Zumindest wurde Derartiges mir gegenüber nie geäußert.

Ein Blick zurück: Was war die größte Krise, was hat Sie besonders gefreut?

Blust: Die größte Krise war zu Beginn meiner Amtszeit der Abbau von Arbeitsplätzen bei Audi. Doch auch diese Probleme haben sich relativ schnell gelöst; es ging bald wieder aufwärts. In meinen ersten OB-Jahren brachen zudem die Gewerbesteuern ein. Am meisten haben mich die gute Entwicklung unserer Unternehmen, die zahlreiche Ansiedlung neuer Firmen und meine Wiederwahl im Jahr 2000 gefreut - wenn die Wahlbeteiligung auch recht gering ausfiel.

Ist der parteipolitische Einfluss auf die Kommunalpolitik größer geworden?

Blust: Ich habe nicht den Eindruck. Die Arbeit im Gemeinderat lief die ganzen 16 Jahre parteiübergreifend. Eine Stärke im Übrigen, die zur positiven Entwicklung unserer Stadt beigetragen hat.

Glauben Sie, dass das so bleibt? Die Fraktionen haben im OB-Wahlkampf schließlich unterschiedliche Kandidaten unterstützt.

Blust: Da bin ich zuversichtlich. Während des Wahlkampfs hat Parteipolitik zwar eine Rolle gespielt. Ich gehe aber davon aus, dass das erledigt ist und die gute Zusammenarbeit fortgesetzt werden kann. Vieles wird natürlich auch davon abhängen, wie mein Nachfolger Joachim Scholz künftig agiert.

Was wird Ihr Nachfolger als Erstes anpacken müssen?

Blust: Vieles ist angestoßen. Auf der Tagesordnung steht auf jeden Fall der weitere Ausbau der Kinderbetreuung. Dieser wird bis 2013 Investitionen von rund 15 Millionen Euro nötig machen. Eine weitere Aufgabe ist die Umsetzung des ÖPNV-Konzepts.

Kinderbetreuung und Nahverkehr müssen Sie ab Freitag nicht mehr interessieren. Welche Pläne haben Sie für den Ruhestand?

Blust: Ich habe keine konkreten Pläne. Ich werde mir künftig mehr Zeit nehmen für meine Familie, mehr Sport treiben, mehr Bücher lesen. Ich hatte noch gar keine Zeit, mir über meinen neuen Lebensabschnitt intensive Gedanken zu machen.

 

Zur Person: Volker Blust

Volker Blust ist im Dezember 1944 im badischen Wolfach geboren. In Lahr besuchte er die höhere Handelsschule und begann dort 1961 die Ausbildung für den gehobenen Verwaltungsdienst. In Neckarsulm übernahm der Parteilose 1976 die Leitung des Haupt- und Personalamts. Den Schritt zum Chef einer Kommune wagte Blust bereits im März 1986, als er in Flein antrat und dort mit elf Stimmen knapp dem Amtsinhaber Jürgen Steinhilber unterlag. Wegen eines unkorrekten Wählerverzeichnisses wurde die Wahl für ungültig erklärt. Bei der Neuwahl trat Blust nicht mehr an. 1992 wurde er in Neckarsulm unter zehn Bewerbern auf Anhieb mit 56 Prozent zum Oberbürgermeister gewählt und acht Jahre später im Amt bestätigt. Volker Blust vertritt die Stadt in verschiedenen Gremien: Unter anderem sitzt er für die CDU im Kreistag. Mit Ehefrau Carmen hat er zwei erwachsene Töchter. Zudem hat Blust drei Enkel im Alter von sieben bis elf Jahren.


Hintergrund: Stadt entwickelt sich

Neckarsulm hat in 16 Jahren unter Oberbürgermeister Volker Blust sein Gesicht verändert. Straßenbauprojekte, Schulhauserweiterungen in der Kernsstadt genauso wie in den Stadtteilen oder der Bau neuer Einrichtungen prägen seine Amtszeit. Jüngstes Beispiel: die Einweihung des Hauses der Jugend vergangenen Mittwochabend. Die Volkshochschule bezog 2005 ein neues Haus, die Mediathek ein Jahr zuvor. Im Jahr 1994 erhielt die städtische Musikschule ein neues Domizil. Vor allem aber auch die Ansiedlung neuer Firmen und Unternehmen gelingt in den 16 Jahren. Nur ein Beispiel von vielen: Die Bechtle-AG weiht 2004 ihre Konzernzentrale im Trendpark-Süd ein. Modellcharakter wird Neckarsulms Öko-Siedlung Amorbach bescheinigt. Dort entstand 1997 eine solargestützte Nahwärmezentrale. Dass der Verkehr in der sich entwickelnden Stadt flüssiger fließt, dafür sorgen neue Kreisverkehre hier und dort, zum Beispiel an der Heilbronner Straße oder an der Rötelstraße. Entlastung bringt auch die Südtangente, die seit 1999 am Trendpark vorbeiführt. Die Sperrung des Marktplatzes für den Verkehr gibt der Innenstadt einen Schub.

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