"Wir sind auf alles eingestellt"
Vize-Polizeipräsident Berger: Hunderte Beamte sichern Castortransporte

Die EnBW will 15 Castorbehälter mit 342 hochradioaktiven Brennelementen von Obrigheim nach Neckarwestheim transportieren und im GKN-Zwischenlager deponieren. Atomkraftgegner arbeiten bereits an Protestaktionen. Für die Sicherheit der voraussichtlich fünf Schiffstransporte ist das Polizeipräsidium "Einsatz" in Göppingen verantwortlich. Vize-Präsident Thomas Berger rechnet mit dem Einsatz von mehreren hundert Beamten und modernster Technik.
Herr Berger, wie viele Polizisten werden die Transporte absichern?
Thomas Berger: Das wissen wir noch nicht im Detail. Mehrere hundert sind es aber auf jeden Fall. Die genaue Zahl hängt stark von der konkreten Lage ab. Momentan gehen wir davon aus, dass ganz normale Bürger von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch machen werden. Mit einem Gefährdungspotenzial rechnen wir zunächst nicht, sind aber auf alles eingestellt.
Sie erwarten Protest, aber keinen harten Widerstand wie bei früheren Transporten?
Berger: Es gibt momentan keinerlei Hinweise, dass wir mit einer solchen Lage zu rechnen haben. Da der Transport im weitesten Sinne Teil des Atomausstiegs ist und es nicht darum geht, die Technologie weiterzuführen, gehe ich von einem geringen Protestpotenzial aus. Ich muss aber klar sagen: Es ist auch Aufgabe der Polizei, Demonstrationen zu ermöglichen, solange rechtliche Grenzen nicht überschritten werden. Wir werden auch den Kontakt zu den Atomkraftgegnern suchen. Das Wichtigste ist, dass niemand zu Schaden kommt.
Welches sind die besonderen Herausforderungen bei diesem Einsatz?
Berger: Der Transport findet auf dem Neckar statt, was zu Störungen des Schiffsverkehrs führen wird. Die Strecke ist mit 52 Flusskilometern ziemlich lang. Wir müssen Kräfte auf dem Wasser, an Land und in der Luft koordinieren. Das kommt in dieser Kombination nicht allzu häufig vor, der Einsatz wird auch für uns zum Meilenstein.
Sie müssen die Castorbehälter auch vor Terrorattacken schützen. Mit welchen Risiken rechnen Sie?
Berger: Ich bin kein Physiker. Aber nach allem, was über die Castoren bekannt ist, kann man sagen: Sie bieten einen sehr guten passiven Schutz. Dieser reicht aus, fast alle realistisch denkbaren Einwirkungen von außen zu kontrollieren. Dass Radioaktivität aufgrund eines Terroranschlags entweicht, ist auszuschließen.
Würden Angriffe auf die Castoren denn grundsätzlich zur Strategie der Terroristen passen?
Berger: Nein. Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass Terroristen eine andere Strategie verfolgen: Sie zielen auf weiche Ziele ab, wollen mit möglichst wenig Aufwand größtmöglichen Schaden anrichten.
Welche Maßnahmen plant die Polizei?
Berger: Wir wollen Gefahren so schnell wie möglich erkennen. Dazu nutzen wir Hubschrauber mit modernen Kamerasystemen. Die Besatzung erkennt Gefahrenstellen, Kräfte auf dem Boden können sich der Sache sofort annehmen. Wir pflastern nicht 52 Flusskilometer mit Polizeibeamten, wir setzen auf ein Konzept, das flexibel auf die jeweilige Lage punktgenau reagieren kann. Das spart Personal, was dann auch die Belastung des Steuerzahlers reduziert.
Warum muss die EnBW nicht für den Polizeieinsatz bezahlen?
Berger: Wir schützen nicht den Castor, sondern wir bewahren die Öffentlichkeit vor Schäden durch den Transport. Diese Unterscheidung ist wichtig. Wenn es zu Störungen kommt, gehen die ja nicht von demjenigen aus, der die Behälter transportiert. Der Kraftwerksbetreiber EnBW wird schließlich eine Genehmigung für die Castorverlagerung haben.
Wo sind die neuralgischen Stellen?
Berger: Das sind vor allem Brücken und Schleusen. Atomkraftgegner könnten ja zum Beispiel versuchen, sich von Brücken abzuseilen oder Transparente zu entrollen. Besonders im Blick haben wir aber auch die engen Uferbereiche.
Wie ist der Stand der Vorbereitungen?
Berger: Wir sind in den letzten Zügen, unser taktisch flexibles Konzept steht. Wie gesagt, wir gehen bisher davon aus, dass wir nicht mit gewalttätigen Aktionen konfrontiert werden. Wir warten jetzt − wie viele andere auch − auf die Freigabe.
Befürchten Sie gravierende Verkehrsbeeinträchtigungen?
Berger: Das lässt sich nicht ausschließen. Wir hoffen, dass unser Konzept dazu führt, dass sich diese Beeinträchtigungen auf ein erträgliches Maß reduzieren. Ich kann ausschließen, dass wir dauerhaft die Verkehrswege entlang der Strecke stilllegen werden. Temporär wird es zu einigen Sperrungen kommen.
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