Wenn der eigene Körper plötzlich zum Feind wird
18. Abendvorlesung "Medizin hautnah": Rheumatologin Elisabeth Märker-Hermann beleuchtet Autoimmunkrankheiten

Eine niederschmetternde Diagnose, mit Folgen für die Medizin: Die rheumatischen Erkrankungen sind nicht so populär wie andere. "Wir bekommen praktisch kein Geld", offenbarte Professorin Elisabeth Märker-Hermann in Heilbronn. Die 55-jährige Internistin ist Chefärztin an der Dr.-Horst- Schmidt-Klinik in Wiesbaden und war bei der 18. Abendvorlesung "Medizin hautnah" unter der KSK-Pyramide Referentin. "Mein Körper, mein Feind?" hatte sie sich als Thema gewählt. Bei den Autoimmunkrankheiten gibt es zwei große Gruppen, die der Organe und die systemischen. Unter den Autoimmunkrankheiten beackerte Märker-Hermann vor allem Rheuma − "ein weites Feld", wie Iris Baars-Werner, die stellvertretende Chefredakteurin, im Zwiegespräch feststellte.
Wissen Obwohl Millionen darunter leiden, fällt Rheuma als Krankheit im Alltag nicht immer auf. Zwar habe sich unter Ärzten das Wissen in den vergangenen zehn Jahren verbessert, aber nach wie vor seien die "Erkrankungen in der Breite" nicht so bekannt, meint die Spezialistin. Auch bei der Diagnose dauert es, "wird häufig lange an Symptomen herumgedoktert", wie Baars-Werner bemerkte. Patienten tauchen beim Rheumatologen auf, weil sie unklare Symptome haben. Ihr Immunsystem nicht mehr im Gleichgewicht ist, anfängt, mit überschießenden und fehlgesteuerten Reaktionen körpereigenes Gewebe zu bekämpfen − wie es allen Autoimmunkrankheiten gemeinsam ist.
Bei Diabetes zerstören die Abwehrkräfte die Inselzellen in der Bauchspeicheldrüse, bei der Schilddrüse schädigen sie das Gewebe, bis es "sich langsam entzündet und vernarbt", so Märker-Hermann. Das kranke Organ produziert kein Hormon mehr, Patienten bekommen es mit Tabletten ersetzt.
Zu den systemischen Autoimmunkrankheiten gehört das entzündliche Rheuma. Weltweit ein Prozent der Menschen leidet darunter. Patienten tragen über viele Jahre eine Entzündung in sich, die sich an vielen Stellen auswirken kann. An Gelenken, Weichteilen, Blutgefäßen und der Wirbelsäule. Arthrose, die häufigste Gelenkerkrankung, gehört ebenfalls zu den rheumatischen Erkrankungen, ist aber Abnutzung und Überlastung geschuldet, keiner Entzündung.
Diagnose Der Verlauf der Erkrankung hängt stark davon ab, wie früh die Diagnose gestellt wird. Ideal ist, wenn die Basistherapie mit Medikamenten in den ersten drei Monaten beginnt. Das schnell wirkende Cortison spielt eine große Rolle. Die Realität bringt andere Fakten: Lange Wartezeiten in den Praxen, Patienten, die spät kommen. Geschwollene und vor allem morgens steife Gelenke, eventuell beidseitig, Schwellungen, Rötungen und Überwärmungen sind ebenfalls Anzeichen für eine Entzündung. "Es ist wichtig, die Symptome für das entzündliche Rheuma herausfiltern zu lassen", gab die Chefärztin als Devise aus.
Warum das Immunsystem den eigenen Körper angreift, so dass es zum Beispiel zur rheumatoiden Arthritis kommt, dafür können viele Gründe eine Rolle spielen: Erbfaktoren, Viren und andere Auslöser, Rauchen und Hormon-Einflüsse. "Für die allermeisten chronischen Erkrankungen wissen wir die Ursache nicht, weil es auch nicht die eine Ursache gibt", betonte die Professorin. Sicher ist aber bei der rheumatoiden Arthritis, dass manche Erkrankungsfälle verhindert werden könnten, wenn nicht geraucht würde.
Die Internistin ist an der Seite von Menschen mit chronischen Erkrankungen − auch bei den Rheuma-Patienten, deren Behandlung nicht jedes Krankenhaus gewährleisten kann. Märker-Hermann ist sich sicher: Durch die richtigen Fragen und das Eingehen auf die Patienten, mit wenig Apparatemedizin, mit Erfahrung und Wissen könne viel Gutes getan werden.