Volle Kleiderschränke drücken Kauflust der Kunden
Zu viel Ware im Markt bringt Textilhandel in Bedrängnis − Chancen für besondere Konzepte

Als vor einer Woche bei Aldi wieder Mode von Jette Joop zu haben war, blieb der erwartete Run in den Märkten der Region weitgehend aus. Pullis, Shirts und Hosen lagen Stunden später noch reichlich in den Körben. Im Frühjahr, bei der ersten Aktion des Discounters mit der Designerin, hatten sich die Kundinnen die Teile gegenseitig aus der Hand gerissen.
Für den Heilbronner Modehändler Wolfgang Palm ist preiswerte Designerware von Aldi oder Lidl keine Bedrohung: "Aber das alles drängt zusätzlich auf den Markt und macht ihn immer schwieriger." Die großen Mengen sind eines der Probleme des stationären Textilhandels − mit Folgen für die Innenstädte. Heilbronn hat derzeit noch kaum Leerstände. "Aber es kommen auch keine neuen Anbieter", sagt Palm.
"Flächen werden drastisch verkleinert werden", prognostiziert der Händler. Vor allem die Modeindustrie selbst habe dazu beigetragen, den Markt kaputtzumachen − indem Firmen wie Esprit und Boss in den Handel einstiegen sind und eigene Läden öffneten. Das habe nicht nur die Mieten in Innenstadtlagen in die Höhe getrieben. Je mehr Ware großer Marken auf den Markt komme, desto mehr gelange in deren Outlets und eigene Onlineshops. "Die zusätzlichen Kanäle haben den Markt überfüttert, bis er kaputt geht", schätzt Wolfgang Palm.
Am meisten in Bedrängnis geraten diejenigen Marken, denen eine klare Profilierung fehlt. Ein Beispiel ist das deutsche Modelabel Tom Tailor. Der Shop in der Stadtgalerie schließt. Der Franchisenehmer, der mehrere Läden betreibt, hat Insolvenz angemeldet. "Das hat mich nicht groß überrascht", sagt die Centermanagerin der Stadtgalerie, Alina Fischer. "Wer derzeit Erfolg haben will, braucht ein Alleinsstellungsmerkmal und/oder Marktmacht", bewertet Fischer die Entwicklung. Der Modemarkt werde sich bereinigen. Gleichzeitig drängen neue Marken, etwa des weltgrößten Modekonzerns Inditex, auf den Markt, zu dem auch Zara gehört. Ob neue Trendlabels von Inditex wie Pull & Bear oder Beshka nach Heilbronn kommen, ist noch nicht bekannt.
Ungewiss ist die Zukunft der Vögele-Filiale in der Heilbronner Sülmerstraße. Das Schweizer Unternehmen soll an einen italienischen Textilhändler verkauft werden. Die Zukunft der deutschen Läden ist dabei ungeklärt. Eine Stimme-Anfrage hierzu blieb unbeantwortet. Auch Ulrich Rank, dem das Haus mit dem Vögele-Laden gehört, weiß nichts Näheres. Er hofft, dass der Textilhändler bleibt: "Für den Standort wäre es schlecht, wenn dort etwas wegbricht."
Liebeskind-Taschen Dass im Textilbereich alles immer billiger wird, weil zu viel Ware am Markt ist, sieht auch Steffen Häffner als großes Problem der Branche. Der Eppinger betreibt mit S.Oliver, S. Oliver Premium und Comma gleich drei Modegeschäfte in Heilbronn. "Gerade der Bereich junge Mode ist brutal." Die große Expansionswelle sieht er dabei als gestoppt. "Selbst bei H&M und Primark läuft es nicht mehr schnurstracks nach oben."
Häffner investiert nicht in weitere Textilgeschäfte, sondern setzt auf eine neue Nische und eröffnet in der Kirchbrunnenstraße demnächst einen Taschenladen von Liebeskind: "Das ist eine große Chance für uns."
Der textile Einzelhandel bietet durchaus noch Chancen, das zeigt auch die Entwicklung von Pursuits. 2008 in Heilbronn gestartet, hat der Herrenausstatter in Freiburg − nach Stuttgart und Frankfurt − gerade die vierte Filiale eröffnet. Die Macher um Geschäftsführer Gunter Rosewich kommen aus dem Handel und verzichten zugunsten ihrer eigenen Marke auf bekannte Labels. Der Händler kauft die Stoffe selbst, lässt Anzüge und Hemden fertigen und hat so die gesamte Wertschöpfungskette in der Hand. In Heilbronn laufen die Geschäfte weiterhin gut.




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