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Überzeugungsarbeit gefragt

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Auftakt der Infoveranstaltungsreihe zum Bau der Stromautobahn: Umweltminister Untersteller wirbt für Suedlink-Projekt

Von unserem Redakteur Christian Gleichauf
Werner Wendt erläutert Diana Schimke den möglichen Trassenverlauf. Bürger können hier aktiv eingreifen und Anmerkungen hinterlassen.Fotos: Christian Gleichauf
Werner Wendt erläutert Diana Schimke den möglichen Trassenverlauf. Bürger können hier aktiv eingreifen und Anmerkungen hinterlassen.Fotos: Christian Gleichauf

Nicht alle Besucher der Suedlink-Infoveranstaltung am Donnerstagabend in Leingarten akzeptierten, dass neue Stromautobahnen von Nord- nach Süddeutschland notwendig sein sollen. Dabei hatten die Veranstalter gehofft, dass es bei den Fragen nicht um das Ob geht, sondern um das Wie und das Wo?

Der Planung zufolge sollen 2020 die Bagger rollen: Dann werden bis 2025 Erdkabel verlegt, die Windstrom aus Norddeutschland bis ins Umspannwerk Großgartach im Landkreis Heilbronn transportieren. Noch bevor der erste Antrag gestellt ist, wollen Netzbetreiber, Bundesnetzagentur, Regionalverband, Umweltministerium und die Deutsche Umwelthilfe den Bürgern die Chance geben, frühzeitig Einfluss zu nehmen auf das Verfahren.

Rund 80 Bürgerinnen und Bürger waren in die Leingartener Festhalle gekommen. So wie Diana Schimke aus Heilbronn-Frankenbach. Sie sieht schon bisher von ihrem Fenster aus die Freileitungen, die vom Heilbronner Kohlekraftwerk zum Umspannwerk Großgartach führen. Künftig könnte nun zusätzlich noch die Erdleitung an Frankenbach vorbeiführen. "Sorgen mache ich mir keine, wenn die Leitung jetzt unter die Erde kommt", sagt Schimke. "Aber es wird teuer."

Relation Die anfangs geschätzten Kosten sind durch die Erdverkabelung von zwei bis drei Milliarden auf zehn Milliarden Euro explodiert. Doch der Projektleiter beim Netzbetreiber Transnet BW, Thomas Schlüter, relativiert das: Der Bau koste etwa 0,3 Cent Aufschlag pro Kilowattstunde − gerechnet auf die Lebensdauer von 40 Jahren, erklärt er gegenüber unserer Zeitung. Zum Vergleich: 6,35 Cent kostet die EEG-Umlage derzeit pro Kilowattstunde.

Das ist auch der Grund für Landesumweltminister Franz Untersteller, an diesem Abend die Notwendigkeit der Investition zu unterstreichen. Trotz aller Energieeinsparungen werde es nicht zu einem Rückgang des Stromverbrauchs in Deutschland insgesamt kommen. Vielmehr gingen Studien davon aus, dass der Strombedarf in den nächsten Jahren um mehr als 30 Prozent wächst. Verantwortlich dafür sind zum einen die E-Mobilität, zum anderen werde umweltfreundlicher Strom auch vermehrt zum Heizen benutzt. Es gehe also nicht darum, entweder die erneuerbaren Energien in Süddeutschland weiter auszubauen oder das Suedlinkprojekt zu realisieren. "Wir brauchen beides", erklärt Untersteller.

Alternative? Genau diese Aussage wird aber infrage gestellt. Ein Bürger zeigt sich überzeugt, dass mit mehr Photovoltaik auf den Dächern und Stromspeichern in den Kellern so viel Strom in Süddeutschland zur Verfügung stehen würde, dass man auf die Leitung gut und gerne verzichten könnte. Untersteller widerspricht: Damit sei vielleicht zum Teil der Strombedarf der Privathaushalte zu decken, aber nicht der Bedarf der Industrie. Und: "Wenn Suedlink nicht käme, müsste man den Windkraftausbau im Norden sofort stoppen", sagt Untersteller.

Der Heilbronner Atomkraftgegner Franz Wagner kritisiert: Die zehn Milliarden Euro Extra-Kosten für die Erdverkabelung seien viel zu viel und würden obendrein den Netzbetreibern eine langfristige Rendite von neun Prozent auf ihre Investition garantieren. "Bezahlen müssen das die Verbraucher." Der Umweltminister hält dagegen: "Selbstverständlich sind zehn Milliarden Euro viel Geld. Aber das ist nichts, was die Volkswirtschaft umbringt." 25 Milliarden Euro koste derzeit der Ausbau der erneuerbaren Energien − pro Jahr. Werner Götz von Transnet BW hat noch eine Zahl im Gepäck: Die Gewährleistung der Versorgungssicherheit über das bestehende Stromnetz kostete 2015 eine Milliarde Euro extra, weil konventionelle Kraftwerke das schwankende Stromangebot ausgleichen müssen. 2020 werde das schon vier Milliarden kosten. Mit den Stromautobahnen sollen auch diese Kosten wieder sinken.

Kommentar "Keine Bedrohung"

Matthias Otte (von li.), Bundesnetzagentur, Umweltminister Untersteller, Leingartens Bürgermeister Steinbrenner.
Matthias Otte (von li.), Bundesnetzagentur, Umweltminister Untersteller, Leingartens Bürgermeister Steinbrenner.
Rund 80 Besucher waren in die Festhalle gekommen, um sich zu informieren.
Rund 80 Besucher waren in die Festhalle gekommen, um sich zu informieren.
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