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Türkischer Unterricht verunsichert Rektoren

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An 50 Schulen im Stadt- und Landkreis Heilbronn unterrichten derzeit türkische Lehrer im Auftrag des Konsulats. Die Schulleiter bestätigen, dass sie keinen Einblick in Unterrichtsinhalte haben.

Von Tanja Ochs und Yvonne Tscherwitschke
Seit fast 50 Jahren unterrichten türkische Lehrer wie hier in Duisburg an deutschen Schulen. Auch in der Region arbeiten Pädagogen, die von der Türkei entsandt und bezahlt werden.Foto: dpa
Seit fast 50 Jahren unterrichten türkische Lehrer wie hier in Duisburg an deutschen Schulen. Auch in der Region arbeiten Pädagogen, die von der Türkei entsandt und bezahlt werden.Foto: dpa

Sie lernen Grammatik, Landesgeschichte und die Sprache, weil "es Spaß macht". Seit der zweiten Klasse besuchen Kerem Yüksel, Zehra Yüzlek und Tolga Kilic in Eppingen den Unterricht, den das türkische Konsulat kostenlos anbietet. In der vergangenen Woche hatte die Landesvorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW, Doro Moritz, gefordert, dieses Angebot künftig durch staatliche Schulämter zu kontrollieren. 

Auch der Rektor der Eppinger Selma-Rosenfeld-Realschule, Wolfgang Neumann, erklärt: "Das Ministerium muss das Monopol der Bildung in die Hand nehmen." Er habe den Konsulatsunterricht bisher immer als "gelebte Vielfalt" betrachtet. Auch Lehrer aus Portugal und Italien waren bereits an der Realschule. Seit diesem Schuljahr wird Albanisch angeboten, allerdings von Muhamet Idrizi, Deutsch-, EWG- und Ethiklehrer der Realschule.

Die Lehrer für den Türkischunterricht hingegen werden von Ankara entsandt. Es sei blauäugig zu glauben, dass die türkischen Beamten nur ihre Sprache vermitteln, hatte Moritz gegenüber unserer Zeitung erklärt. Auch Wolfgang Neumann gibt zu, angesichts der politischen Entwicklungen seine Einschätzung zu überdenken. Frank Eber, Rektor am Bildungszentrum Bretzfeld, sieht das ähnlich: Früher habe er sich über den Konsulatsunterricht keine Gedanken gemacht. "Aber jetzt, mit Erdogan, ist das anders."

Konsulatslehrer: Wir haben nichts zu verbergen

Die Eppinger Schüler betonen, Politik und Religion spiele in ihrem Unterricht keine Rolle. "Wir lesen höchstens mal die Nationalhymne", erzählt der 14-jährige Tolga. Die 13-jährige Zehra ergänzt: "Wir spielen viel." Beide sind in Deutschland geboren, den Konsulatsunterricht besuchen sie freiwillig: "Es ist unsere Sprache", betont die Sechstklässlerin. Ihren Lehrer finden die Realschüler "richtig nett". Er ist einer von zwölf Männern und Frauen, die derzeit in 50 Schulen in der Stadt und im Landkreis Heilbronn arbeiten.

Für jeweils fünf Jahre werden die türkischen Beamten nach Deutschland geschickt. "Es ist eine Belohnung", erklärt Ayhan Kement. Der Koordinator des Konsulatsunterrichts in der Region ist bereits zum zweiten Mal im Auslandseinsatz. "Die Muttersprache ist für Kinder sehr wichtig", sagt er. Zweisprachige Kinder seien fleißiger, ist der 51-Jährige überzeugt. Den Inhalt des Unterrichts könnten Schulleiter einsehen, "wenn sie möchten". Man habe nichts zu verbergen, sagt Kement.

Zufrieden ist man in der Heilbronner Wilhelm-Hauff-Schule, wo es das Angebot "schon immer" gibt, wie Sekretärin Jutta Halter sagt. Auch der Rektor der Gemminger Schule, Helmut Thomaier, kennt keine Beschwerden: "Ich gehe davon aus, dass alles seine Richtigkeit hat." Die Schule pflegt engen Kontakt mit türkischen Elternvertretern. "Wir stehen hinter der Grundidee, Herkunft und Wurzeln der Kinder zu thematisieren", sagt Thomaier. Was allerdings gelehrt werde, könne er nicht kontrollieren.

In Hohenlohe unterrichten türkische Lehrer einige wenige Kinder, ebenfalls außerhalb der Unterrichtszeiten − und ohne dass die Schulleiter Einblick in die Stunden hätten. In Künzelsau, erklärt Schulleiter Rainer Süßmann, nehmen weniger als zehn Kinder das Angebot wahr. In Bretzfeld sind es etwa 20 Kinder der Klassen eins bis acht. "Da wurden vor kurzem aber vier oder fünf Kinder abgemeldet", berichtet Schulleiter Eber. Über die Gründe könne er nur spekulieren, aber er vermutet einen Zusammenhang mit der Politik. Der Türkischlehrer sei nett, spreche aber kein Deutsch, so Eber. Als Schulleiter habe er keinerlei Fachaufsicht, was ihn wundert: "Wir sind nur Gastgeber und stellen den Raum."

Lehrer plädiert für Integration des Sprachunterrichts in den Bildungsplan

"Eigentlich haben wir keine Berührungspunkte", sagt Jochen Bär, Direktor am Herzog-Christoph-Gymnasium in Beilstein, wo sieben Kinder den Konsulatsunterricht besuchen. Auch Irene Lengle, die als Schulrätin am Heilbronner Schulamt Kontakt zu den türkischen Lehrern hält, betont: "Zu den Inhalten kann ich nichts sagen."

Das muss sich ändern, findet der Eppinger Lehrer Muhamet Idrizi, der eine wissenschaftliche Arbeit über "Lehrer im muttersprachlichen Ergänzungsunterricht" und deren Qualifizierung geschrieben hat. Er plädiert für die Integration des Sprachunterrichts in den Bildungsplan. "Wir brauchen Brückenbauer", sagt er. Aber das Kultusministerium müsse sämtliche Bildungspläne in Deutsch prüfen. "Wir brauchen einen Ansprechpartner für alle Herkunftssprachen."

 

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