Trotz Zuschauerschwund: Fandorf soll weiterleben
Minusrekord in Sachen Besucherzahlen auf dem Fandorf: Welche Lehren sind daraus zu ziehen? Die Veranstalter überdenken das Konzept.
Es wird kein versöhnlicher Abschluss des EM-Fandorfs, ohne Finale mit deutscher Nationalelf und toller Gänsehautstimmung. Mit bisher 46.000 Zuschauern hat das Heilbronner Fandorf 2016 nach stetig rückläufigen Zahlen einen neuen Minusrekord erreicht. Bei deutschen Spielen kamen bei gutem Wetter immerhin 6000 bis fast 11.000 Fans. Aber sonst? Der Besuch war ernüchternd, beim Halbfinale Portugal-Wales waren 29 Seelen dort. Kann es so weitergehen mit der Fanmeile?
"Wir müssen überlegen, ob das Konzept noch in die Zeit passt", stellt Heilbronn-Marketing-Geschäftsführer Steffen Schoch fest. Es gebe vielfältige Konkurrenz in Gastronomie und auf privaten Fußballpartys. Klar sei auch, dass sich der Aufwand bei Spielen mit ganz wenigen Gästen bei teurer Gema-Gebühr und hohem Personaleinsatz bei Sicherheitskräften und an den Essens- und Getränkeständen nicht lohne.
Dennoch: Dass Heilbronn das Fandorf beerdigt − wie zum Beispiel in Stuttgart geschehen − schließt er aus. Es sei nach wie vor eine gute Idee, bundesweit immerhin das fünftgrößte Fandorf, mit fast 50.000 vor allem jüngeren Fans "die größte Sportveranstaltung in der Region".
Man werde nach dem Finale mit allen Partnern das Konzept diskutieren. "Ein Mittelweg" könnte es werden, so Schoch. In welcher Größe und Art, an welchem Ort, ist offen. Ob ein Weg sein könnte, nur die deutschen Spiele zu zeigen? Denkbar ist einiges.
Der Frust nach dem K.o. der Deutschen gegen Frankreich wirkt nach. Roland Mair, Rektor der Leingartener Sauter-Grundschule, hatte den Schulkindern die erste Stunde freigegeben, falls sie gern das Halbfinale sehen wollten. "Viele waren heute Morgen natürlich enttäuscht. Kinder stecken das aber relativ schnell weg", verweist er auf eifriges Kicken in der Pause.
Mair selbst sieht die Niederlage der Deutschen kritisch. Weil die Elf im Angriff kaum Durchschlagskraft hatte, er die Aufstellung "etwas konservativ" fand. Müller habe keinen Lauf, Götze sei ein Mitläufer. Mair, der früher Landes- und Verbandsliga spielte, hätte den jungen Sané viel früher gebracht − weil der auch mal ein Dribbling wage. Das Spielsystem mit vielen Querpässen, auf Ballbesitz ausgerichtet, sollte überdacht werden. "Eins gegen eins vorne gehen, das fehlt." Der agile französische Stürmer Griezmann habe den Unterschied ausgemacht.
"Die Franzosen hatten einen guten Matchplan, den sie konsequent umgesetzt haben", blickt Heilbronns OB Harry Mergel auf die Niederlage. Der deutschen Elf hätten vor allem in der Offensive Ideen und spektakuläre Einzelaktionen gefehlt. Etwas Trost gibt es vom Franzosen Jean-Michel Perrin (41) aus Schwaigern. Vorher glaubte er noch, dass seine Franzosen gegen Deutschland keine Chance haben. Jetzt hat er sich über den Sieg "riesig gefreut". Aber: "Es war nicht so verdient. Die bessere Mannschaft hat verloren." Jetzt hofft er auf den EM-Pokal für die Blauen.
Den wollen auch die Portugiesen wie der Biberacher Fernando Oliveira (50). Trotz anfangs schwacher Spiele glaubt er an den ersten Titel für Portugal. Früher habe man oft schön gespielt und sei ausgeschieden. "Jetzt spielen wir defensiver und gewinnen knapp. Das zählt." Der gelernte Schlosser kam mit 13 nach Deutschland, lebt seit 1988 in Biberach. Ronaldo sei der Spieler für die besonderen Momente, auch im Finale. Das Kopfballtor gegen Wales "war gigantisch". Und wenn die Portugiesen siegen, dann fährt die Familie wohl voller Euphorie zum Feiern nach Heilbronn. Im portugiesischen Zentrum gibt es auch Bier aus der Heimat.


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