Stammtischparolen Paroli bieten
Sozialpädagoge und Philosoph Joachim Glaubitz gibt Tipps, wie man Anfeindungen und fremdenfeindlichen Äußerungen entgegentreten kann.

"Wir können doch nicht alle Probleme dieser Welt lösen." Da ist etwas Wahres dran. Und doch kommt es ganz darauf an, wer diesen Satz sagt − und welche Absicht er damit verfolgt. Ist es eine Das-Boot-ist-voll-Parole gegen Flüchtlinge? Oder eine nüchterne Tatsachenbeschreibung?
Joachim Glaubitz empfiehlt, erst einmal genau zuzuhören, die Atmosphäre des Gesprächs auszuloten und dann − mit Bedacht − zu antworten. In einem Workshop der Heilbronner Arge Flüchtlingsarbeit gibt der Sozialpädagoge und Philosoph Tipps, wie man Anfeindungen und fremdenfeindlichen Parolen begegnen kann.
Schweigen ist keine Lösung
"Paroli bieten", würde Glaubitz wohl nicht sagen − mit Parolen kommt man gegen Parolen nicht an. Aber nichts zu sagen, geht auch nicht. Klein beigeben und schweigen ist keine Lösung, wenn man sich unvermittelt mit falschen Aussagen konfrontiert sieht: "Die nehmen uns die Arbeitsplätze weg. Die Kriminalitätsrate steigt. Deutschland wird muslimisch." Die Zuhörer nicken. Wohl keiner, der noch nicht ratlos war − und dann doch erst einmal geschwiegen hat.
Zunächst macht Glaubitz klar: Es gibt Situationen, denen man sich nicht stellen muss: Wenn ein Betrunkener provoziert, ist er Argumenten nicht zugänglich. Dasselbe gilt für Rechtsradikale und Demagogen: Sie wollen sich gar nicht anderen Ansichten öffnen. Da ist alle Überzeugungsmühe vergeblich. Doch wenn ein Freund plötzlich auffällt? Was tun, wenn Kollegen, Menschen wie du und ich, etwa nur noch Ausländer, die sich hier nützlich machen, ins Land lassen wollen?
Selbsterlebte Erfahrungen zählen
Man sortiert die Lage mit einer Doppelbotschaft: "Als Freund schätze ich dich, aber was du eben gesagt hast, will ich so nicht stehen lassen." Jetzt kommt es darauf an, Erfahrungen, Verletzungen, Gefühle und Werte anzusprechen und zu benennen. Für das klare Standing ist man am besten gut informiert, aus Zeitungen und anderen Medien und weiß die Quelle noch. Doch nicht der Zahlenvortrag, nicht der Faktenmonolog und schon gleich kein moralisierendes Reden hilft aus dem Dilemma. Jede Überheblichkeit gilt es zu vermeiden. Wichtig ist es, Anekdoten, Selbsterlebtes parat zu haben.
Ein konstruktives Gespräch kann mit einer Rückfrage beginnen. Wann war das mit der Frau an der Tankstelle, als Flüchtlinge sich in ihr Auto setzten und mitgenommen werden wollten. Wo? Kam es zu einer Anzeige? Gibt es einen Beleg? In dem Fall wird rasch klar, dass die Tankstellengeschichte durch ganz Deutschland wandert − was sie nicht wahr macht.
Man kann sich um die Gesprächsatmosphäre bemühen, ruhige Regeln einfordern, nach der persönlichen Betroffenheit fragen: "Was bringt dich so auf?", Floskeln zurückweisen und aufs Thema zurückkommen und durchaus auch sagen, dass man − wenn dem so ist − eine unterschwellige Bedrohung fühlt.
Drei Argumentationstechniken von Glaubitz:
Gerade-weil-Technik: Durch Umkehrung der Behauptung, den Tatsachen näher kommen. Beispiel: "Die sitzen immer nur rum und arbeiten nicht." Darüber kann man nachdenken: "Gerade weil sie nicht arbeiten, sitzen sie immer rum."
Den Spieß umdrehen: Hierzu zunächst ein Beispiel: "Junge Flüchtlinge klauen und sind kriminell." Auf den Einzelfall hinweisen. Verallgemeinerungen lassen sich entlarven, wenn man eine Unterstellung auf die Gruppe des Gegenübers anwendet. So ist auch Gerhard Mester in seiner Karikatur vom Bäckerlehrling gegen populistische Vorurteile verfahren.
Spiegelung: Beispiel: "Die gehen nicht zum Integrationskurs." Dem lässt sich mit Witz begegnen: "Stell dir vor, du müsstest dich als Frau dem wahhabitischen System in Saudiarabien unterwerfen, das fändest du auch nicht beglückend." 70 bis 80 Prozent, das ist die statistische Argumentationslinie, nehmen den Integrationskurs wahr. Es gibt viele Gründe aufzugeben: Überforderung, Heimweh, Perspektivlosigkeit. Zu langer Anfahrtsweg, während des Kurses zu lange Trennung von Kindern und Familie.