Spätregen räumt schwere Fehler ein
Die Deutsche Spätregenmission war wegen Vertuschung von sexuellem Missbrauch von Kindern und Druck auf Glaubensbrüder in die Kritik geraten. In einem Brief räumt die Glaubensgemeinschaft mit Sitz in Beilstein jetzt mannigfaches Fehlverhalten ein.

Vertuschung von sexuellem Missbrauch, Druck auf Glaubensbrüder: Zwei Jahre sind vergangen, seitdem die Heilbronner Stimme Missstände in der Deutschen Spätregenmission (DSM) öffentlich gemacht hat. In einem im Dezember 2014 an aktuelle und ehemalige Mitglieder versendeten Brief räumt der Vorstand mannigfaches Fehlverhalten vor allem von leitenden Personen ein. In dem Schreiben bestätigt der Vorstand auch Vorwürfe, die er der Stimme gegenüber noch abgestritten hatte. Annette Kick, Leiterin der Arbeitsstelle für Weltanschauungsfragen der Evangelischen Landeskirche, wertet den Brief als Teil eines Erneuerungsprozesses grundsätzlich positiv.
Druck
Ein zentraler Kritikpunkt ist die sogenannte Prophetie. Mit göttlichen Weissagungen, so der Vorwurf ehemaliger Mitglieder, seien auch einzelne Glaubensgenossen massiv unter Druck gesetzt und gefügig gemacht worden. Darauf angesprochen, ließ der DSM-Vorstand im März 2013 per Anwalt erklären: "In der Spätregenmission dient die Prophetie weder dazu, Drohungen zu vermitteln noch dazu, Ängste zu erregen." Die Mission halte sich ganz eng an die biblische Begründung der Prophetie. Schon damals bildeten Martin Illig, Michael Maslo und Ruben Ottliczky den Vorstand.
In dem Brief, der dieser Zeitung vorliegt, klingt das anders. "Die Gabe der Prophetie wurde überbetont." Sie sei von vielen höher bewertet worden als das geschriebene Wort Gottes. "Dies hatte äußerst nachteilige Konsequenzen." Es sei gelehrt worden, dass die Weissagungen unfehlbar seien. Der Missionsvorstand hat seine Aussagen der Presse gegenüber inzwischen angepasst. Auf erneute Anfrage lässt er durch Anwalt Peter Krause ausrichten: In der "weiteren Vergangenheit" sei die Prophetie durch einige Mitglieder missbraucht worden. Seit 2013 werde in speziellen Bibelkursen die Bedeutung der Weissagungen erklärt. Diese sollten die Gemeinde als Ganzes "aufbauen, ermahnen und trösten".
Missbrauch
Auch in anderen Punkten gibt die Mission Missstände zu. Beispiele: Ein verhängnisvoller Fehler sei gewesen, die DSM im Vergleich zu anderen christlichen Gemeinden als eine Art Elite zu betrachten. Von Mitgliedern sei erwartet worden, keinen Kontakt mit Gläubigen anderer Gemeinschaften zu pflegen. Leitende Personen hätten zuweilen die Leistungswilligkeit der ihnen Anbefohlenen ausgenutzt, um sich persönliche Vorteile zu verschaffen. Gegenüber Kindern sei zu sehr Gottes Strenge betont worden. Das Lesen nicht missionseigener Literatur sei mit wenigen Ausnahmen untersagt gewesen.
"Wir bedauern zutiefst, dass in früheren Jahren in der Mission Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch vorgekommen sind", heißt es weiter. Es sei leider versäumt worden, die Betroffenen ausreichend zu schützen und ihnen Gelegenheit zu geben, die "erschütternden Erlebnisse zu verarbeiten". In einigen Fällen sei es zu sexuellen Übergriffen auch von Mitarbeitern auf ihnen anvertraute Personen gekommen, die dadurch tiefe seelische Verletzungen erfahren hätten.
Der Arbeitsstelle für Weltanschauungsfragen liegt inzwischen ein Bericht über die Aufarbeitung der Missbrauchsvorwürfe vor. Genaue Zahlen nennt Annette Kick nicht. Es hätten sich aber einige direkt Betroffene gemeldet. Darüber hinaus sei mit einer nicht unerheblichen Dunkelziffer zu rechnen. Hat die Mission Entschädigungen angeboten? Laut Anwalt Peter Krause geht es den Opfern mehr um psychologische Hilfe, für die die Mission auch aufkomme.
Für die Spätregenmission ist der Brief Teil der Aufarbeitung der eigenen Geschichte. Für die heutige Leitung nehme die Prävention und ständige Aufklärung der Mitglieder einen bedeutenden Raum ein. Kritische ehemalige Glaubensgenossen sprechen dagegen von einem "Geständnis", sie zweifeln zudem den echten Willen zu Reformen an.
Ähnliche Reaktionen hat auch Annette Kick erhalten. Sie wertet positiv, dass der Entschuldigungsbrief auf viele Themen eingeht. Die Pfarrerin würdigt, dass der Vorsitzende Martin Illig zu einem Gespräch über den Reformprozess bereit ist. Zuvor allerdings will Kick weitere Einschätzungen ehemaliger Missionsmitglieder sammeln. Kommentar "Skepsis"