Bei Stickoxiden muss Stadt nun handeln
Umwelthilfe fordert rasche Maßnahmen zur Luftreinhaltung bis 2018 − Chef nennt Werte "miserabel" − Klage im Blick

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) nimmt nun auch die Stadt Heilbronn wegen dauerhaft zu hoher Werte des Reizgases Stickstoffdioxid über dem Grenzwert in den Schwitzkasten. "Wir können der Stadt nur dringend raten, mit allen Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität sofort zu beginnen." DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch stuft die Heilbronner Jahresmittelwerte von zuletzt 57 Mikrogramm (Grenzwert: 40 Mikrogramm) als "miserabel" ein. Die Aufforderung an Regierungspräsidium und Stadt, bis 21. September einen Katalog mit geeigneten Maßnahmen zur kurzfristigen Senkung der Werte bis 2018 vorzulegen, wurde aus Berlin bereits versandt. Verweise auf den Ausbau von Nahverkehr, Rad- und Fußwegen wird der Umwelthilfe nicht genügen. Resch: "Wenn man zu hohe Werte wie in Heilbronn über Jahre hat, sieht man doch selbst, dass die Maßnahmen nicht ausreichen."
Nachrüsten Die DUH macht Vorschläge, wie rasch etwas erreicht werden könnte: indem eine Stadt alle Busse mit Stickoxidfiltern nachrüstet, Anreize schafft, die Taxiflotte auf Umwelttaxis mit Gas-, Elektro- oder Benzinhybridantrieb umzustellen. Fahrverbote für Dieselfahrzeuge (Euro 4 + 5) sieht die DUH als nötig an, um die Werte nachhaltig zu senken − da Diesel Hauptursache der hohen Luftbelastung seien und vielfach mehr Stickoxide ausstießen als Benziner. "Um diese Verbote wird eine Stadt wie Heilbronn nicht herumkommen", glaubt Resch − wenn sie den Bürgern saubere Luft nicht "verweigern" wolle. Es gehe auch darum, dass durch hohe Belastungen Todesfälle eintreten können.
Falls kein schlüssiges Konzept vorgelegt wird, will die DUH klagen. Wie bei der Stadt Stuttgart, die vom Verwaltungsgericht zu Maßnahmen verurteilt wurde. Klare Aussage der Richter dort: Diesel-Fahrverbote seien ab Januar 2018 zulässig und die aktuell einzige effektive Maßnahme gegen die gesundheitsgefährdende Luftverschmutzung.
Signal Vorwürfe, die Umwelthilfe trete als Abmahnverein auf, wolle mit Klagen auch Geld einnehmen, weist Resch zurück. Im Klageverfahren gegen Kommunen und Aufsichtsbehörden gebe es keine Einnahmemöglichkeit. "Wir kämpfen für saubere Luft in den Städten und wollen uns nicht noch bis 2020 vertrösten lassen." Seit 1999 würden die Grenzwerte deutlich überschritten. Man agiere, weil Behörden, die für das Einhalten von Gesetzen eigentlich zuständig seien, die Dauerüberschreitungen "ignorieren".
Resch hofft, dass durch erste Fahrverbote eine Signalwirkung ausgeht. "Dann wird es schnell gehen mit technischen Nachrüstungen an den Diesel-Autos" − weil Autohersteller nicht warten würden, bis der letzte Besitzer geklagt habe.
Für Dieter Roßkopf, Verkehrsfachanwalt aus Heilbronn und ADAC-Vorsitzender in Württemberg, kommt das Vorgehen der Umwelthilfe auch gegen die Stadt Heilbronn nicht überraschend. "Das war deutlich erkennbar" nach den ersten Urteilen gegen andere Kommunen. Die Stadt sollte aus seiner Sicht nun Maßnahmen anpacken, um die Stickoxidbelastung zu senken. "Da muss man jetzt Gas geben." Ein leistungsfähiger öffentlicher Nahverkehr mit kürzerer Taktung und attraktiven Preisen steht für ihn ganz vorn. "Da müssen alle kooperieren. Man muss in den Verkehr investieren." Aber auch die Autohersteller sieht er in der Pflicht, auf ihre Kosten Modelle mit unzureichender Abgasreinigung nachzurüsten − "nicht nur mit Software-Updates".
Tragik Thomas Bergunde, Sprecher des Klimarats im Bürgerbündnis Lokale Agenda, sieht es als "Tragik der Stadt", dass sie sich viele Jahre nicht um Zukunftskonzepte wie Mobilität gekümmert habe. "Jetzt ist es Zeit, dass etwas passiert." City-Maut, Lkw-Durchfahrverbote oder Parkraumbewirtschaftung könnten Bausteine sein. "Man muss entlang der Hauptachsen regulieren", fordert er. Der Klimarat sei bereit, ein Konzept zu unterstützen.
Kommentar "Deutliche Lücke"
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