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Pendler klagen über immer mehr Zugausfälle

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Zugpendler zwischen Heilbronn und Stuttgart beklagen sich über immer schlimmer werdende Zustände bei der Deutschen Bahn. Ständig fielen Züge aus und die Wägen seien so schlecht wie nie zuvor, so ihre Kritik.

Von Adrian Hoffmann
Immer öfter käme kein Zug, der laut Fahrplan kommen müsste, klagen Pendler.
Immer öfter käme kein Zug, der laut Fahrplan kommen müsste, klagen Pendler.  Foto: Chris Petersen

Reinhard Güll, Leiter der zentralen Informationsdienste beim Statistischen Landesamt, fährt seit 35 Jahren jeden Tag von Lauffen nach Stuttgart. Die Situation sei schlimm, schildert er. Sein Zug um 6.10 Uhr falle inzwischen zwei Mal in der Woche ohne Angabe von Gründen aus. Dann stehe er wie viele andere Pendler am Bahngleis und warte in der Kälte auf einen Folgezug. „Und später steht man dann im Zug drinnen wie eine Ölsardine gepresst“, sagt Güll weiter.

Die Ausreden der Bahn seien lapidar. Höchstens von betriebsbedingten Störungen sei die Rede, berichtet Güll. Dabei gehe es um Personalprobleme und das werde nicht offen kommuniziert. „Es kann doch einfach nicht sein, dass ständig Züge ausfallen“, so Güll. Er könne kein Verständnis aufbringen, dass die Deutsche Bahn das Personalproblem nicht löse. Den nächsten ICE in Stuttgart zu erwischen, sei ein „Lotteriespiel“, sagt ein anderer Pendler.

Protesthaltung bei den Mitarbeitern?

Unter vorgehaltener Hand hört man von Zugbegleitern, was deren Ansicht nach die Hintergründe für die Situation sind. Viele Angestellte verärgert, dass ab 2019 der Regionalauftrag wegfällt und die Tochter des britischen Unternehmens Go-Ahead Verkehrsgesellschaft und die zur niederländischen Abellio-Gruppe gehörende Abellio Rail Südwest den Betrieb des durch Stuttgart führenden Netzes übernimmt. Und das, weil die Bahn wegen eines Verstoßes gegen Mindestkriterien den Großauftrag für den Südwesten nicht erhalten hat. Von einer Protesthaltung ist die Rede, von Lokführern, die krank machten und nicht ersetzt würden.

 Lutz Dächert, Bezirksvorsitzender Süd-West von der Gewerkschaft Deutscher Lokführer, macht „hochgeschraubte Belastungen“ für die Personalprobleme verantwortlich. Die Leute könnten teilweise gar nicht mehr anders, als zum Arzt zu gehen. Es gebe auch heute noch viele Eisenbahner mit Leib und Seele – aber der Arbeitgeber nutze sie einfach nur aus. „Es wird alles ausgereizt.“

Dächert sieht die Schuld auch bei der Landesregierung, die immer mehr Verkehr zum günstigsten Preis wolle. Das sei der falsche Ansatz und nicht gerade eine Motivationssteigerung.

Alte Wagen im Einsatz

Zusätzlich wird momentan besonders altes Wagenmaterial auf der Strecke eingesetzt. Das fällt etlichen Bahnreisenden negativ auf. Die Wägen seien in einem „erbärmlichen Zustand“, sagt Pendler Reinhard Güll. Sie klappern, manche Türen gingen nicht mehr auf. Versiffte Toiletten überall. „Ich ärgere mich gar nicht mehr, am System kann man nichts ändern“, kommentiert ein anderer Bahnfahrer.

Neulich sei ein Zug mit offener Tür gefahren, sie konnte nicht geschlossen werden. Ein anderes Mal habe es in den Wagen geregnet und der Zugbegleiter habe ihn gebeten, den Wagen zu wechseln – es könne einen Kurzschluss geben. „Das ist wie in Chicago in der Postkutschenzeit“, schimpft der Pendler. „Der Staat macht es sich zu leicht.“

Ein Zugbegleiter schüttelt, auf die Zustände angesprochen, nur den Kopf. „Wer kann, der geht“, sagt er über sich und seine Kollegen. Keiner habe Lust auf schlechtere Arbeitsverträge. Altersvorsorge-Modelle und andere Absicherungen seien eingeschränkt. Manche hätten schon andere Jobs gefunden. Es gebe Fälle, in denen Lokführer hunderte Kilometer mit Taxis durch die Gegend gefahren würden, um Züge zu übernehmen, für die Personal ausgefallen sei.

Bahn setzt auf mehr Personal

Die Deutsche Bahn will kurzfristig zusätzliches Personal einsetzen, um Zugausfälle und Verspätungen im Regionalverkehr zu vermeiden. Gleichzeitig sollen die Fahrgäste am Bahnsteig über mögliche Probleme besser informiert werden, wie das baden-württembergische Verkehrsministerium am Mittwoch in Stuttgart mitteilte. Es sei gut, dass die Bahn sich bemühe, für Abhilfen und Verbesserungen zu sorgen. „Wir werden aber genau hinschauen, ob damit die Züge wirklich wieder pünktlicher und verlässlicher fahren“, wurde Minister Winfried Hermann (Grüne) zitiert.

Die Bahn muss wegen der Probleme im Regionalverkehr nun regelmäßig beim Ministerium Bericht erstatten. Das Staatsunternehmen entschuldigte sich bei den Pendlern für die Unannehmlichkeiten, die unter anderem auf der Strecke zwischen Stuttgart und Aalen oder bei der Verbindung von Würzburg über Heilbronn nach Stuttgart aufgetreten sind. „Ich bin zuversichtlich, dass sich unsere Anstrengungen, schnelle Lösungen und Verbesserungen zu erreichen, kurzfristig auch auszahlen werden“, sagte David Weltzien, der Vorsitzende der Regionalleitung.

 

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