Nach OB-Wahl: Viel Zuversicht und hohe Erwartungen
Wie geht es nach der OB-Wahl weiter im Neckarsulmer Rathaus, mit dem Regionalverband, in der Zusammenarbeit mit Heilbronn?

Seit Montagnachmittag ist das Ergebnis der OB-Wahl in Neckarsulm offiziell. Veränderungen gab es keine mehr. Der Wahlausgang erfüllt die Bürger der Stadt aber auch am Tag danach noch immer mit Staunen.
"Wir hätten einen zweiten Wahlgang erwartet", hört man immer wieder. Die Entscheidung für den Herausforderer Steffen Hertwig war allerdings nicht nur überraschend, sondern auch eindeutig, so der Tenor.
Den Betroffenen blieb naturgemäß kaum Zeit, ihre Gedanken zu sortieren. Noch-Amtsinhaber Joachim Scholz kann beispielsweise keine Antwort auf die Frage geben, wie er mit seiner Funktion als Kreisrat umgehen wird. So lange er in der Region wohnt, darf er das Mandat ausüben, es ist unabhängig von anderen Ämtern.

Im Oktober 2014 wurde Scholz zudem zum Vorsitzenden des Regionalverbands Heilbronn-Franken gewählt. Auch hier ist die Zukunft offen. "Das Heft des Handelns liegt bei Herrn Scholz", sagt Regionaldirektor Klaus Mandel. Bis Herbst 2019 dauert die Amtszeit. Die Aufwandsentschädigung dafür beträgt im Übrigen 350 Euro pro Monat, plus Sitzungsgeld von je 40 Euro.
Aquatoll
Ein Punkt, der im Wahlkampf eine zentrale Rolle spielte, war die Betriebsführung des Aquatolls durch die Heilbronner Bäderbetriebe. Steffen Hertwig kündigte an, mehr Rücksicht auf die Befindlichkeiten in Neckarsulm zu nehmen und gegebenenfalls die Zusammenarbeit zu beenden. Derzeit ist das noch kein Thema, wie die Heilbronner Bäder-Leiterin Ursula Stiefken erklärt: "Der Vertrag läuft bis Ende 2017." Zudem bringe die Kooperation allen Beteiligten nur Vorteile. "Wir haben Neckarsulm in diesem Jahr schon vielfach tatkräftig personell ausgeholfen." Sie plädiere deshalb für eine Fortführung der Zusammenarbeit.
So sieht es auch Heilbronns OB Harry Mergel. "Ich bin überzeugt, dass wir die großen Herausforderungen der Zukunft wie Gewerbeflächen, Verkehr und Finanzen nur mit intensiver interkommunaler Zusammenarbeit meistern können." Neckarsulm habe Jahrzehnte nahezu grenzenlosen Wachstums hinter sich. Nun seien auch dort Grenzen erreicht, deshalb gebe es inzwischen Gespräche auf allen Ebenen. Mehr Miteinander sei nötig, nicht weniger. "Und wenn wir einmal Aufgaben effizient durch Neckarsulm erledigen lassen können, dann sind wir auch dafür offen." Beim Bauhof gebe es vielleicht diese Chance.

Landrat Detlef Piepenburg will das Wahlergebnis nicht bewerten, findet aber zwei Dinge bemerkenswert: Zum einen, "dass es einem Herausforderer aus dem Stand gelungen ist, einen Amtsinhaber aus dem Sattel zu hieven". Zum anderen, dass selbst bei dieser Bewerberlage die Wahlbeteiligung unter 50 Prozent lag. "Das ist sehr schade."
Bauchgefühl
Auf der Straße sind die Erwartungen an den künftigen OB Hertwig klar. Er soll jetzt die "verkrusteten Strukturen" im Ratahaus aufbrechen", findet ein 70-jähriger Neckarsulmer. Seiner Frau sind die acht Jahre Amtszeit ohnehin zu lang. "Eigentlich sollte man nach vier Jahren über einen OB abstimmen." Dass es nicht mehr gepasst hat mit dem amtierenden könne sie nicht begründen, es sei vor allem ein "Bauchgefühl".
Gisela Papenfuß erklärt sich die Wechselstimmung mit den gestiegenen Verwaltungskosten und dem Ärger im Spaßbad Aquatoll. In ihrem Umfeld im Neuberg hätten zudem die Pläne, dort ein weiteres Neubaugebiet zu erschließen, eine Rolle gespielt. Jetzt sei sie gespannt, wie es mit dem neuen OB Hertwig in der Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat weitergeht.
Zeitplan
Für Wahlsieger Steffen Hertwig geht es jetzt erst einmal zurück in seinen alten Job. „Es muss einiges übergeben werden, wir müssen einen Nachfolger finden“, sagt der Leiter der Rechtsabteilung bei Würth Elektronik. Kündigungsfristen würden dem Wechsel nicht im Wege stehen, ist der Igersheimer sicher. Der Termin für die offizielle Amtseinsetzung steht noch nicht fest. Für Joachim Scholz endet die Amtszeit aber am 27. Oktober. Bis dahin stehe „Business as usual“ an, wie er sagt.
Kommentar zur OB-Wahl: Streitkultur
Ein Kommentar von Christian Gleichauf

Die Unzufriedenheit der Neckarsulmer mit der Politik in ihrem Rathaus hat sich am Sonntag einen Weg gebahnt. Ein Neuer soll es richten. Auf Steffen Hertwig wartet eine schwierige Aufgabe. Schon im Wahlkampf hat man ihm viel mit auf den Weg gegeben. Man darf gespannt sein, wie er mit so vielen gegenläufigen Interessen umgeht.
Eine zentrale Rolle wird dabei der Neckarsulmer Gemeinderat spielen. Zu wenig wurde in den vergangenen Monaten deutlich, dass all die Sparvorschläge, Gebührenerhöhungen und Stellengenehmigungen nicht von OB Joachim Scholz im Alleingang durchgesetzt wurden. Oft war er sich dabei mit einem Großteil der Fraktionen einig, oft sogar mit allen. Nicht selten hat das Abwägen der Argumente für oder gegen diese Entscheidungen aber nichtöffentlich stattgefunden. Konsens war das Ziel, um nach außen möglichst geschlossen auftreten zu können.
Um die Aufgaben in einer finanziell schwierigen Zeit zu meistern, braucht ein Gemeinderat aber eine Streitkultur – im positiven Sinne. Wer von Bürgern erwartet, dass sie Nachteile akzeptieren, muss Perspektiven bieten. Wer auf Einschränkungen verzichtet und lieber Schulden macht, soll es begründen.
Vieles hängt damit an den Fraktionen und ihren Chefs. Nur wenn sie zu einem Paradigmenwechsel bereit sind, kann in Neckarsulm Vertrauen in die Rathauspolitik wachsen. Diesmal hat sich der Zorn der Wähler auf den Oberbürgermeister bezogen. Wächst bei den Bürgern nicht das Verständnis für die komplexen Zusammenhänge in der Stadt, wird künftig nur die Schar der Nichtwähler Gewinne verzeichnen.