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Manche Bindung vor Zerreißprobe

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Viele Städtepartnerschaften brauchen neue Impulse, um zu überleben.

Von unserer Redakteurin Bärbel Kistner

Der Zweite Weltkrieg war zwei Jahre vorüber, als Crailsheim als erste deutsche Kommune eine Partnerschaft mit einer amerikanischen Stadt schloss: Worthington in Minnesota. Auch im hohenlohischen Sindeldorf war man der Zeit voraus. Bereits 1959, also vier Jahre vor dem Élysée-Vertrag, gab es eine Partnerschaft mit dem französischen Marigny. Der Sindeldorfer Willy Humm hatte die Verbindung auf den Weg gebracht, er war 1946 als Kriegsgefangener in dem Savoyen-Dorf. 2009, zum 50-jährigen Bestehen, wurde in Marigny sogar eine Straße nach Willy Humm benannt, auch eine "Avenue de Sindeldorf" hat der Ort. Herzlich und quicklebendig ist die Verbindung bis heute.

Neckarsulm war noch früher dran. Anfang der 50er Jahre hatte sich Bürgermeister Erwin Wörner für die Aussöhnung mit Frankreich stark gemacht, seit 1958 ist die Partnerschaft mit Carmaux offiziell. Der Neckarsulmer Kurt Bauer war über Jahrzehnte prägende Figur und treibende Kraft. Doch er selbst sei ebenso wie seine Partner "herausgewachsen", mancher sei bereits verstorben. "Die heutige Generation spürt nicht mehr die drückende Last des Krieges und hat alle Freiheiten." Deshalb sei es schwer, eine Partnerschaft am Leben zu erhalten und bei jungen Leuten Begeisterung zu wecken. "Durch die Globalisierung haben die Verbindungen an Wichtigkeit verloren." Früher habe fast jeder Neckarsulmer Verein Beziehungen nach Carmaux gepflegt, das sei vielfach eingeschlafen. Immerhin: Die Kunstfreunde sind aktiv, der Schüleraustausch besteht und zum Ganzhornfest ist eine Delegation eingeladen.

Heilbronn feiert in diesem Jahr das halbe Jahrhundert Partnerschaft mit Béziers. Am Wochenende nach Ostern reist eine Delegation nach Südfrankreich, es ist die erste Begegnung von Oberbürgermeister Harry Mergel und dem ebenso erst 2014 gewählten Robert Ménard, der für den rechtsextremen Front National kandidiert hatte. In welche Richtung sich die Partnerschaft entwickelt, soll bei der Begegnung ausgelotet werden, ebenso wie beim Gegenbesuch der Franzosen im Juni zur Jubiläumsfeier in Heilbronn. "Wir prüfen, was neu angestoßen werden kann", sagt Susanne Schmidt, die im Rathaus für Partnerschaftsangelegenheiten zuständig ist.

Heilbronn wünscht sich neue Schwerpunkte im Bereich Bildung und Kultur: "Das Thema Aussöhnung und Verständigung haben wir lange hinter uns." Kooperationen mit den Hochschulen sind angedacht, ebenso mit der Weinwirtschaft. Heilbronner Musikschüler reisen nach Ostern nach Béziers, um mit Musikschülern vor Ort ein Programm zur Partnerschaftsfeier einzuüben. 2016 ist der Gegenbesuch geplant. "Wir wollen die Partnerschaft mehr auf Gegenseitigkeit und Regelmäßigkeit auslegen", betont Schmidt.

An Grenzen stößt man beim Schüleraustausch. Nur das Theodor-Heuss-Gymnasium habe noch eine Partnerschule in Béziers, ein Austausch sei diesmal aber nicht zustande gekommen. "In Frankreich wird immer weniger Deutsch gelernt", weiß Schmidt. Bei uns gelte Französisch als schwer, Konkurrenz machen Spanisch und Chinesisch. "Zudem nimmt die Bereitschaft von Eltern ab, einen Gastschüler aufzunehmen", hat Susanne Schmidt beobachtet. Statt einen Gast zu beherbergen schicke man seine Kinder lieber auf eine bezahlte Sprachreise. Hinzu kommt das achtjährige Gymnasium, die Zeit für Schüleraustausch werde knapper.

Ganz wichtig, um eine Partnerschaft am Leben zu halten, seien gewachsene Verbindungen. Bestes Beispiel ist der Verein "Amicale Béziers", der beim Stadtfest einen Stand mit Maultaschen, Grillwurst und Bier betreibt. Im August gibt es eine Jubiläumsreise vom Reisebüro Gross. Bei den anderen Heilbronner Partnerschaften fehlt so ein Verein. Die Stärke der Bindung will Susanne Schmidt aber nicht an der Zahl der Begegnungen festmachen. Ob Senioren in Stockport, Solothurner beim Trollinger-Marathon oder Maybach-Schüler in Port Talbot, abgerissen seien die Verbindungen zu keiner Stadt.

Trotz aller Schwierigkeiten gibt es aus einigen Landkreisgemeinden gute Beispiele, wie Kontakte vor dem Abriss bewahrt werden. Bad Rappenau pflegt eine intensive Dreiecksbeziehung zu Contrexéville und Llandrindod Wells. Brackenheim hat ein rühriges Partnerschaftskomitee. Leingartener radeln in diesem Sommer zum 40-jährigen Bestehen ihrer Partnerschaft nach Lésigny, Talheim feiert 50 Jahre mit Soultzmatt. Nach 1990 sind vielfach neue Partnerschaften mit Städten in Ungarn und Polen entstanden. Von exotischen Verbindungen hält Expertin Susanne Schmidt nur dann etwas, wenn Verbindungen mit Bürgern, Firmen oder Kulturschaffenden bestehen.

 


 


 

 


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