Kartoffeln statt Kondome
Als Uli Kuder vor 25 Jahren seinen Kondomladen an der Weinsberger Straße öffnete, gab es einen Aufschrei.

"Das provozierte einen kleinen Skandal, denn so ein Geschäft war revolutionär", erinnert sich der 51-Jährige. Ende Oktober ist nun Schluss mit Einzelhandel. Kuder zieht sich aufs Land zurück, will künftig Selbstversorger sein mit Hühnern und Stallhasen und mit einem Gemüsegarten und Obstbäumen. Bis dahin macht er Ausverkauf und bietet 50 Prozent Rabatt auf Leuchtkondome, Dildos, Vibratoren, Liebeskugeln und sein Schmucksortiment. Für das 50 Quadratmeter große Geschäft sucht Kuder nun einen Nachmieter.
Historie
13 Jahre lang hatte Kuder zunächst einen Franchisevertrag mit Condomi. Nachdem deren Börsengang gescheitert war und der Versuch, als Global Player zu agieren, das Kölner Unternehmen in die Pleite trieb, kündigte Kuder den Vertrag. Aus Condomi wurde Love and Toys, unter diesem Name betrieb er den Laden zuletzt. "Ich war immer Krämer mit Leidenschaft", betont Kuder. Doch bevor das Geschäft drohe in Schieflage zu geraten, will er lieber einen Schlusspunkt setzen. Der Onlinehandel hat sowohl der Erotikbranche als auch dem zweiten, inzwischen wichtigeren Standbein Kuders zugesetzt, dem Piercingschmuck.
Anfangs bot der Laden nur eine Vielzahl von Kondomen, Erotikspielzeug und erotischen Geschenkartikeln. Nach zehn Jahren war die Nachfrage rückläufig, der Inhaber setzte auf Piercings. "Mein erste Bestellung beim Großhändler waren 100 Teile, ein Minihäufchen." Zuletzt bot Kuder 20 000 Schmuckartikel für den ganzen Körper. Bei Piercings drängte jedoch vor einigen Jahren der chinesische Anbieter Crazy Factory nach Deutschland: "Die haben den Markt kaputt gemacht mit Billigstschmuck unter meinem Einkaufspreis." Was den Händler ärgert: Kaum jemand interessiere sich für Produktionsbedingungen oder Qualität.
Kaufverhalten
Mit welcher Naivität Kunden beim Thema Onlinehandel unterwegs sind, das verblüfft Uli Kuder nach wie vor. Unlängst sollte er einer vielleicht 15-Jährigen die Piercings ausmessen, damit sie sich im Internet die richtige Größe bestellen könne. Das Mädchen habe extra betont, dass sie nichts bei ihm kaufen wolle. "Sie war der Meinung, dass ich zu der Dienstleistung verpflichtet sei. Die Mutter stand schweigend daneben." Die netten Anekdoten aber überwiegen. Diese hat er mehrfach erlebt: Wenn Paare gemeinsam zum Kondomkauf kamen, habe der Mann gerne zu XXL-Exemplaren gegriffen, um dann von der Frau darauf hingewiesen zu werden, dass "wir die nicht brauchen".
Mehr Prüderie
Trotz anfänglicher Empörung mancher Heilbronner Bürger hat Uli Kuder die 90er Jahre als deutlicher lockerer und weniger prüde erlebt. "Die Kunden waren neugierig und experimentierfreudig." Heute sei die Hemmschwelle in punkto Erotik wieder gestiegen, die Jüngeren seien deutlich weniger aufgeschlossen. "Die Gesellschaft ist prüder geworden." Erotikartikel anonym im Netz zu bestellen, ist nur ein Ausdruck davon. kis