Entscheidung heute: Wer wird CDU-Direktkandidat im Wahlkreis Heilbronn?
So viel Mitsprache gab es noch nie: Vier Bewerber wollen Direktkandidat der CDU im Wahlkreis Heilbronn für die Bundestagswahl 2017 werden. Heute haben die Parteimitglieder die Wahl.

Beständigkeit war eine Tugend der CDU im Wahlkreis Heilbronn. Von 1969 bis 1998 saß der Weinsberger Egon Susset für die Partei im Bundestag, es folgte die Ära mit Thomas Strobl - bis zu seinem Wechsel in die Landespolitik als Innenminister in diesem Jahr. Über Jahrzehnte war der Abgeordnete der Platzhirsch.
Ob es jemals mehrere Bewerber um die Direktkandidatur im Bundestagswahlkreis Heilbronn gegeben hat? Kreisgeschäftsführer Bernd Sepbach jedenfalls kann sich nicht erinnern. Vor der Bundestagswahl 2017 aber ist alles anders. An diesem Samstag ab 15 Uhr haben die Parteimitglieder in der Heilbronner Harmonie die Wahl zwischen gleich vier Bewerbern.
Seit Wochen herrscht Wahlkampf bei der CDU im Bundestagswahlkreis 267, der 32 Städte und Gemeinden im Großraum Heilbronn umfasst. 353.000 Menschen leben hier, 240.000 sind wahlberechtigt. Nicht nur Delegierte, sondern alle 1900 CDU-Mitglieder haben nun Gelegenheit, über den Direktkandidaten zu entscheiden, der mit hoher Wahrscheinlichkeit in den Bundestag einziehen wird - seit 1976 haben die Christdemokraten hier ununterbrochen das Direktmandat geholt.
Wahlkampf an der Basis in Hohlys Gasthaus zur Wilhelmshöhe in Neckarsulm. Die CDU-Ortsvereine Gundelsheim, Offenau, Bad Friedrichshall, Untereisesheim und Neckarsulm haben eingeladen, es ist eine von vielen Vorstellungsrunden, 60 Interessierte sind gekommen. Bei Terminen zuvor waren es deutlich weniger.

Schwere Holzmöbel, rote Fliesen, weiße Plastikblumen als Tischdeko sind das Ambiente. Das Essen ist deftig. Bier, Wein und Saftschorle werden serviert, im Hintergrund brabbelt ein Baby. Die Kandidaten schütteln Hände, verteilen Visitenkarten und Flugblätter. Smalltalk hier, Schulterklopfen da. "Schön, dass Sie da sind."
Auf Neutralität wird gepocht
Man achte penibel auf die Neutralität des Kreisverbandes, sagt Sepbach. Das Verfahren sei transparent, jeder Bewerber erhalte die gleiche Unterstützung. Auf zwei DIN-A4-Seiten durften sich die Kandidaten in einem offiziellen Brief an die Parteimitglieder vorstellen.
15 Minuten Zeit bekommt jeder Bewerber zur Vorstellung in Neckarsulm. Die Reihenfolge der Redner entspricht dem Eingang der Bewerbungen. Es folgt eine offene Fragerunde. Wird die Redezeit zu sehr strapaziert, schreitet die CDU-Ortsvorsitzende Ina Maria Berthold ein.
Der Vertrauensverlust in die etablierten Parteien zieht sich als Thema wie ein roter Faden durch den Abend. Es geht um das Fiasko der CDU bei mehreren Wahlen, um Flüchtlingspolitik, Wohnungsmangel und Rentenreformen, um neue Medien, Niedrigzinsen und ganz viel um die Glaubwürdigkeit der eigenen Partei. "Gut, dass wir eine echte Wahl haben", betonen mehrere Gäste. Und in der Tat: Die Bewerber sind grundverschieden.
Das sind die Kandidaten
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Da ist Alexander Throm (48), Anwalt, CDU-Fraktionschef im Heilbronner Stadtrat, erfahren, gut vernetzt in der Partei, aber doch mit dem Makel, dass er es bei der Landtagswahl im März nicht geschafft hat, sein Direktmandat zu verteidigen, wie mehrere Gäste anmerken. Parteifreunde hätten ihn zur Bewerbung ermutigt, rechtfertigt er sich: Die Stimmung sei bei der Landtagswahl gegen die CDU gewesen. In keiner größeren Stadt habe man das Direktmandat geholt. Throm wirbt mit seiner Erfahrung, Erfolgen als Stadtrat: Gebührenfreie Kindergartenplätze, die Stadtbahn.
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"Wir brauchen ein Signal des Aufbruchs, kein weiter so", sagt Raid Gharib (33) aus Heilbronn, studierter Politikwissenschaftler und Abteilungsleiter beim Handwerkstag in Stuttgart für Umwelttechnik. Und die Aussage lässt sich durchaus als Seitenhieb gegen Throm, den Etablierten, verstehen. Direkte Kritik hingegen bleibt aus an diesem Abend. Gharib selbst kam als vierjähriges Flüchtlingskind nach Neckarsulm. Seine Vita ist bemerkenswert. Als Diözesanratsvorsitzender war er oberster Laienvertreter für 100.000 syrisch-orthodoxe Christen in Deutschland.
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Wenn die Partei ihn wähle, sagt Martin Rupp (52), "dann würde sie Mut beweisen". Ihn, den Auswärtigen, Professor für Wirtschaftsinformatik an einer privaten Hochschule in Frankfurt. Anders als die anderen hält er keine inhaltliche Rede, sondern spricht über seinen Werdegang - Studium in den USA, Wehrdienst verweigert, zwei erwachsene Kinder. Er sei der kompetenteste Bewerber, sagt er und bemerkt später im Gespräch: Das verstehe aber nur, wer hier gewesen sei.
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Die Gesundheitspolitik und die Versorgung im ländlichen Raum sind die zentralen Themen des Eppingers Michael Preusch (40), Personalrat und Facharzt der Inneren Medizin an der Uniklinik Heidelberg. Über sich sagt er: "Jemand mit meinem Hintergrund fehlt in der Politik." Trittsicher spricht er über die Überalterung der Ärzte auf dem Land, aber spart viele andere, aktuelle Themen aus.
Gleich vier Bewerber zur Auswahl seien bei der Wahl eines Direktkandidaten äußerst selten, analysiert der Freiburger Politikwissenschaftler Ulrich Eith und zieht Parallelen zum US-Vorwahlkampf. Das Verfahren könne auf eine Wahl einstimmen, mobilisierend für die Basis sein. Nicht selten zögen Bewerber ihre Kandidatur zurück, wenn sie merkten, dass es ihnen an Unterstützung mangele.
Wie werben die Kandidaten um sich?
Aufgegeben hat noch kein Bewerber im Wahlkreis Heilbronn. Jeder wirbt auf seine Art. Gharib etwa hat ein freiwilliges Unterstützerteam von "zehn bis zwölf Personen" mobilisiert, dreht Videos, verbreitet sie über die sozialen Medien. Die anderen Kandidaten sind in dieser Hinsicht zurückhaltender. "Ich muss nicht alles in die weite Welt hinausposaunen", sagt Throm.
Wer gewinnt? Die Gäste im Hohlys sind zurückhaltend. Throm verfüge über starke Netzwerke, Gharib habe kompetent gewirkt, Preusch authentisch. Rupp gilt als Außenseiter. 500 bis 600 Teilnehmer bei der Nominierungsveranstaltung in der Harmonie in Heilbronn erwartet Kreisgeschäftsführer Sepbach.
Die Bewerber haben viele Mitglieder geworben. Wegen Gharib sind rund 150 Personen, unter ihnen viele Christen aus dem Umfeld der syrisch-orthodoxen Gemeinde, in die CDU eingetreten. Wegen Throm besitzen jetzt 70 Bürger ein christdemokratisches Parteibuch, wegen Preusch sind in den vergangenen Wochen etwa 20 Personen CDU-Mitglied geworden. Diese Zahlen bestätigt Kreisgeschäftsführer Sepbach. Von neuen Unterstützern für Martin Rupp ist nicht die Rede. Die große Frage: Entscheiden diese rund 250 Neuen die Wahl? Wer überzeugt, wer mobilisiert eigene Anhänger am besten?
"Entscheidend wird sein, wem die Partei zutraut, die Wähler später zu erreichen", erklärt Politikwissenschaftler Eith. Ein Kandidat sagt hinter vorgehaltener Hand: "Die Nominierung wird schwieriger sein als den Wahlkreis zu gewinnen."