Diesmal bleiben zwei in Haft
Die Überlastung des Heilbronner Landgerichts hätte noch gravierendere Folgen haben können als bisher angenommen. Zwei weitere Straftäter sind länger als sechs Monate in Haft.

Die Überlastung des Heilbronner Landgerichts hätte noch gravierendere Folgen haben können als bisher angenommen. Wie berichtet, hatte das Stuttgarter Oberlandesgericht (OLG) fünf mutmaßliche Drogendealer aus der Untersuchungshaft auf freien Fuß gesetzt, weil die Richter es nicht schafften, binnen sechs Monaten einen Prozesstermin anzuberaumen. Vier der fünf Dealer sollen jetzt untergetaucht sein und haben sich so der Strafverfolgung entzogen.
Jetzt wurde bekannt, dass die Aktenberge der 3. Schwurgerichtskammer so groß sind, dass noch zwei weitere Straftäter länger als sechs Monate in U-Haft sind. Bei dem einen Fall handelt es sich um versuchten Mord, im anderen um versuchten Totschlag. Beide Verfahren wurden ebenfalls vom Oberlandesgericht geprüft. Beide Male ordnete der Senat jedoch die Fortdauer der U-Haft an.
Angeklagter in dem versuchten Mordfall ist ein 24-jähriger Kosovo-Albaner, der im Oktober 2012 gemeinsam mit einem Komplizen eine 59-Jährige in ihrem abgelegenen Haus in Kirchardt brutal überfallen haben soll. Auf das Opfer wurde mehrfach geschossen, es überlebte wohl nur, weil es sich nach dem Gewaltexzess tot stellte. Der Mittäter wurde bereits zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt. Bei dem zweiten Fall geht es um versuchten Totschlag: Ein 45-jähriger Deutscher soll im Juni 2013 im Heilbronner Hauptbahnhof auf einen Mann eingestochen haben.
"Gott sei dank sind die nicht frei gekommen. Das wäre frustrierend gewesen", kommentiert ein Ermittler die OLG-Entscheidung. Die Fahnder sind nach wie vor entsetzt, dass fünf Drogendealer frei kamen. Monatelange Ermittlungen sind zunichte gemacht. Die Dealer mussten mit langen Haftstrafen rechnen.
Heilbronns Landgerichtspräsident Wolfgang Görlich bestätigte, dass die 3. Große Strafkammer dem OLG insgesamt drei sogenannte Prüffälle vorlegen musste. Die Stuttgarter Richter nehmen sich immer dann Verfahren vor, wenn die U-Haft länger als sechs Monate dauert, ohne dass es einen Verhandlungstermin gibt. Warum das OLG in einem Fall so, in zwei anderen anders entschieden hat, erklärt sich Görlich so: "Beim versuchten Mord und beim versuchten Totschlag waren die Gerichtstermine schon festgelegt, bei der Rauschgiftsache aber nur abgesprochen und noch nicht terminiert."
Eine OLG-Sprecherin stellt klar, dass jeder Einzelfall geprüft werde. Auch die Schwere der Tat spiele bei der Entscheidung des Senats eine Rolle. Auf die Frage, ob das OLG demnächst noch weitere Straftäter auf freien Fuß setzen muss, weil die Heilbronner Richter mit der Arbeit nicht mehr nachkommen, antwortet Gerichtspräsident Görlich mit "Nein". Es lägen keine ähnlich gelagerten Fälle vor.
Einsparungen
Allerdings kann Görlich nicht ausschließen, dass in Zukunft wieder U-Häftlinge freikommen. Zwar habe das Landgericht eine zusätzliche Richterstelle erhalten und eine "halbe" Hilfsstrafkammer gebildet, um die 3. Schwurgerichtskammer zu entlasten. "Aber wenn wir Pech haben und wieder so viele Fälle bekommen..." Wolfgang Görlich: "Noch mehr Einsparungen verkraften wir nicht."
