Bouranis Liebeslied bleibt links liegen
Mehr als 2000 Jugendliche aus der Region machen in diesen Tagen ihren Realschulabschluss. Am Freitag steht für die Schüler Mathe auf dem Prüfungsplan.

Es ist viel leiser als sonst. Auch in einer Schule für Jugendliche mit Hörschädigungen und Sprachbehinderungen hängt auf dem Schulflur ein Schild: "Wir bitten um Ruhe für die heutige Prüfung der Realschule." Deutsch-Abschlussprüfung stand gestern auf dem Stundenplan der Realschulen in Baden-Württemberg. Mehr als 2000 Jugendliche in Stadt und Landkreis Heilbronn arbeiteten 240 Minuten an ihren Aufsätzen, unter ihnen waren auch 19 Schüler der Lindenparkschule Heilbronn.
Buch oder Kompendium? Die Lindenparkschüler hatten zwar wie alle anderen Realschüler im Land vier Themen zur Auswahl, doch sie halten sich gern am gut vorbereiteten Thema fest. So staunt Jessica Bieswanger (18, aus Buchen) aufrichtig, als sie nach der Prüfung erfährt, dass dieses Gedicht in Aufgabe 1 "Auf anderen Wegen" von Andreas Bourani war. "Ach, der", sagt sie. Auch ihre Kollegen kennen den Song, den Alexander Müller (17, Ludwigsburg) kurz aus seinem Smartphone dudeln lässt. Lehrerin Rebecca Stojanovic gefällt das Liebeslied gut als Prüfungsthema, "das ist nah an der Lebenswelt der Jugendlichen". Doch ihre Schüler lassen den Song links liegen.
Gedankenkarussell
Um die Beschreibung des Textes "Mensch, Mika" von Eva Wachter machen die Lindenparkschüler ebenfalls einen Bogen und haben nach Ansicht ihrer Lehrerin Juliane Maisner gut daran getan. Zu groß war die Gefahr, dass sie den Text wörtlich genommen und nicht gemerkt hätten, dass es "ein reines Gedankenkarussell" um den Rennfahrer Häkkinen war.
16 der 19 Prüflinge stürzen sich auf Cornelia Franz’ "Ins Nordlicht blicken". Der Jugendroman hatte neben "Abschied von Sidonie" von Erich Hackl als Pflichtlektüre zur Auswahl gestanden. Die Prüflinge sollen ein Gespräch schreiben. Das hatten alle Realschüler gut geübt. "Ich wusste von Anfang an, ich nehme das Buch", erklärt Mehmet Kara (18, Bad Friedrichshall). Und Samuel Stahl (17, Bad Friedrichshall) bereut seine Entscheidung nicht: "Es gibt einfachere Themen", sagt er und ist am Ende doch wie seine Kollegen mit der Aufgabe zufrieden. Sie alle sind erleichtert, fanden die Prüfung fair.
Zum Thema "Arbeiten um zu leben − leben um zu arbeiten?" hatten sich die Zehntklässler übers Schuljahr hinweg ein Kompendium erarbeitet. In der Prüfung schreiben drei Lindenparkschüler einen Vortrag.
Im Schriftlichen ist alles gleich. Im Mündlichen freilich haben Hörgeschädigte und Sprachbehinderte andere Bedingungen. Im Englischen zum Beispiel: Der Vortrag wird schriftlich gehalten. Der Verstehenstest mit CD-Player fällt weg. Und der Dialog zwischen Schülern wird durch einen Lehrer-Schüler-Chat ersetzt.