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Besuch bei einer Domina: Willst Du mit mir spielen?

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Nicole wirkt auf den ersten Blick wie ein braves Mädchen, das einen alkoholfreien Cocktail bestellt und mit ihren Freundinnen maximal verlegen kichert, wenn sie über heiße Typen sprechen. Aber wer Nicole nicht kennt, der täuscht sich in ihr.

Von Adrian Hoffmann

Sex sells - vor allem wenn es um verruchte Spiele wie bei "50 Shades of Grey" geht. Dieser Artikel aus dem Juni gehörte zu den erfolgreichsten Stimme.de-Artikeln des Jahres 2017.

 

Die 26-Jährige aus einer kleinen Landkreis-Gemeinde ist eine "Femdom", eine Frau mit dominanten Neigungen − und ist eher wenig schüchtern. "Ich könnte fast jeden Mann dominieren", sagt sie − und kichert nun doch.

Lust und Leid sind das Metier einer Domina. Themenbild: dpa
Lust und Leid sind das Metier einer Domina. Themenbild: dpa

Lange, dunkle Haare, braune Augen, dunkler Lippenstift, schwarze Halskette. Im gedimmten Licht des Heilbronner Restaurants Alex sitzt die zarte Frau mit den knallharten Leidenschaften schön geschützt. Und an den Nebentischen bekommt keiner etwas mit über das ungewöhnliche Gesprächsthema, obwohl Nicole auffällig klar und offen darüber spricht. Ihren Namen haben wir dennoch für diese Reportage abgeändert. Ist vielleicht dann doch besser, findet sie. Wer weiß, wie ihre Zukunftspläne noch aussehen mögen.

Wie es ist, einen Mann zu schlagen

"Ich habe mich schon früh gefragt, wie es ist, einen Mann zu schlagen", plaudert sie. Dabei lacht sie ausnahmsweise nicht, es ist ihr ernst. "Ich hatte da immer dieses Kopfkino, schon zu Schulzeiten." Anfang vergangenen Jahres habe sie sich endlich ausprobiert und für drei Monate ein Praktikum in einem Studio gemacht. "Unbezahlt. Bei Sessions habe ich mit reingeschnuppert", sagt sie.

Das habe ihr Spaß gemacht, aber auf Dauer sei es nichts für sie. "Ich will das nicht mit jedem Mann machen. Manche passen mir auch nicht", erklärt sie. "Aber sie sind im Studio ja alle Kunden." Plus: Das Prostitutionsschutzgesetz, das ab Januar in Kraft getreten ist. Darauf hat Nicole keine Lust. Da sei sie dann auf ewig vermerkt; und sie denkt weit voraus. Später mal will sie ja Familie − und was macht sie dann zum Beispiel bei einem Sorgerechtsstreit? Als "Prostituierte" stehe man doch gleich schlecht da.

Peitschenhiebe und Schmerzensschreie

Da macht sie sich lieber selbstständig. Bietet Kunden Besuche an bei sich in der Privatwohnung. Im Kellerraum einer WG. In der Küche kann man Peitschenhiebe hören oder Schmerzensschreie. Nicoles Hauptgeschäft ist inzwischen ein Videokanal im Internet. Dort gibt sie ihren "Sklaven" diverse Aufgaben. Weist sie an, sich auf dem Zimmerboden zusammenzubinden und für Stunden nicht mehr zu bewegen. Solche Dinge. "Die freuen sich riesig, wenn man ihnen Aufgaben gibt", sagt sie.

Es sei unglaublich, wie viele Anfragen es gebe seit "The Shades of Grey". Die erotische Roman-Trilogie habe dazu geführt, dass sich viele Menschen ehrlicher mit ihrer eigenen Sexualität beschäftigen, ist Nicole überzeugt.

Mit Freunden oder der Familie lässt sich das in der Regel schwer besprechen − oft, weil man sich selbst im Weg steht. Das weiß sie aus eigener Erfahrung. Ihrer Mutter habe sie es früh erzählt. "Du bist noch jung, mache das", sagte sie. Nicole: "Die Reaktion fand ich total cool." Sie habe aber auch eine Freundin, der würde sie von ihrem heimlichen Verlangen nie erzählen. "Das würde unsere Freundschaft nicht verkraften. Das findet sie pervers."

Viele Männer stehen auf Tabasco

Nicole hält vieles für normal. Was ist dabei? Viele Männer stünden auf Tabasco. Den Rest verrät die Fantasie. Jedes zweite Wochenende, Minimum, besucht Nicole sogenannte Fetisch-Partys. Manchmal in Stuttgart, oft in Karlsruhe. Ihre "Sklaven" fahren sie dorthin. Sie hat mehrere Sklaven. Auch eine Sklavin.

Sie genießen das Gefühl, gedemütigt zu werden. Nicht auf extreme Art und Weise. Sie wollen ihr die Tür aufhalten, ihre Getränke halten, ihr Handtäschchen tragen. Unterwürfig sein. Es herrscht ein strenger Dresscode. "Du kannst in Barock-Kleidern kommen, Gothic, Latex oder nackt", sagt Nicole. "Sklaven gehen gerne nackt."

Die Partys seien oft weniger wild, als Unbedarfte annehmen. Es gehe nicht um Sex, eher um Dominanz und Devotion. Männer gingen oft mit den Worten "Willst du mit mir spielen?" auf "Femdoms" zu. Jemandem einen Korb zu erteilen, sei nicht weiter schlimm und werde immer akzeptiert. Sie frage meist zurück: "Was willst du denn spielen?" Und wenn ihr der Gedanke gefalle, lasse sie sich darauf ein. "Fetisch-Partys sind die besseren Partys", findet Nicole. Wenn sie in einer Disco etwas ablehne, sei sie als Frau doch gleich eine Zicke.

Befehle erteilen - mit einem Lächeln auf den Lippen

"Ich bin keine Männerhasserin, ehrlich", sagte Nicole. Und ihre Neigungen hätten auch nichts mit ihrer Kindheit zu tun. Sie stehe einfach auf Fetisch, auf Dominanz. Darauf, Männern Anweisungen zu geben. Nicht immer mit ganz ernster Miene, sondern durchaus mit einem Lächeln auf den Lippen. Sie sehe da für viele Männer sogar einen therapeutischen Nutzen; und dies wolle sie auch ausbauen, im Sommer 2017 dann sogar Fetisch-Seminare anbieten. Ein theoretischer Teil, ein praktischer.

Zu ihrem Verlangen stehen zu können, das habe oft eine Steigerung des Selbstbewusstseins bei devoten beziehungsweise masochistischen Männern zur Folge. Das ist die Erfahrung, die Nicole gemacht hat. Sie selbst sei dadurch auch selbstbewusster geworden. Männer herumkommandieren, irgendwie sei das ihr Ding.

Manche halten ihr Handtäschchen, andere ihr Sektglas − und die Tür, die werde ihr sowieso immer, wirklich immer, aufgehalten. Eine "Femdom" öffnet keine Türen. "Zum Geburtstag hat mir einer der Sklaven eine Pferdepeitsche geschenkt, das hat mir gut gefallen", erzählt Nicole. "Und ein Nadelrad."

Den größten Wunsch verweigert

Ihre übliche "Arbeitszeit" ist abends zwischen 21 und 23 Uhr. Ihr Verdienst sei ganz gut, verrät Nicole, geht allerdings bei diesem Thema ausnahmsweise nicht weiter ins Detail. Sie komme bei vielen devoten Männern auch deshalb so gut an, weil sie im Verhältnis relativ jung sei. Die meisten "Femdoms" seien 40 plus.

Da ist dieser eine Mann, der gerne aus einem Dörfchen im Schwarzwald zu ihr in die Gegend ziehen möchte, am liebsten in ihre Garage oder in ihren Keller. "Er sehnt sich nach einer kompletten Selbstaufgabe", sagt Nicole. "Er möchte einfach die Verantwortung abgeben und hat das Bedürfnis, dass eine Frau die Kontrolle über sein Leben übernimmt." Selbst seine Finanzen würde er gerne von ihr verwalten lassen.

Manche Geschichten von Nicole hören sich an wie frei erfunden, wenn man nochmal in Ruhe darüber nachdenkt. Jetzt mal angenommen, diese Story hat tatsächlich mit der Wahrheit zu tun: Sie habe ihm seinen Wunsch verweigert, berichtet Nicole. Sie sei nämlich privat einfach nur freiheitsliebend. "Ich muss gar nicht immer die Kontrolle haben."

 

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