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Besonders gesicherter Haftraum statt Gummizelle

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Wie das Gefängnis mit suizidgefährdetenund hochgradig aggressiven Häftlingen umgeht.

Von unserem Redakteur Helmut Buchholz
Spezialzelle für Sonderfälle: Werner Gemmrich vom Vollzugsdienst im besonders gesicherten Haftraum des Heilbronner Gefängnisses. Er zeigt das reißfeste Hemd, das Insassen hier anziehen müssen.Foto: Veigel
Spezialzelle für Sonderfälle: Werner Gemmrich vom Vollzugsdienst im besonders gesicherten Haftraum des Heilbronner Gefängnisses. Er zeigt das reißfeste Hemd, das Insassen hier anziehen müssen.Foto: Veigel

Der Suizid von Dschaber al-Bakr im Leipziger Gefängnis macht immer noch Schlagzeilen. Jetzt haben Familienangehörige von Deutschlands Terrorverdächtigem Nummer eins angekündigt, Beamte der sächsischen Justiz wegen fahrlässiger Tötung anzuzeigen.

Haben die Behörden einen Fehler gemacht, als sie den 22-Jährigen in einem gewöhnlichen Haftraum ohne Einzelsitzwache vor der Zelle allein ließen und nur alle 30 Minuten nach ihm sahen?

Das baden-württembergische Justizministerium äußert sich nicht zu dem Fall. Ministeriumssprecher Robin Schray versichert jedoch: "Die Vermeidung von Suiziden gehört zu den wichtigsten Anliegen des Justizvollzugs im Land." Allerdings ließen sich auch in einem "verfassungskonform ausgestalteten Vollzug freiverantwortliche Selbsttötungen nicht ganz verhindern".

Einschätzung

Im Heilbronner Gefängnis nahm sich zuletzt 1996 ein Häftling das Leben. Anstaltsleiter Hans-Hartwig Dickemann erklärt, welche Anstrengungen seine Belegschaft unternimmt, damit dieser Suizid sich nicht wiederholt. Zunächst einmal werde jeder Häftling bei der Einlieferung vom Anstaltsarzt oder einem der drei Psychologen im Gefängnis untersucht und die Selbstmordgefahr eingeschätzt.

Arzt und/oder Psychologe werden auch vom Vollzugsdienst konsultiert, wenn ein Häftling, der schon im Gefängnis sitzt, "Verhaltensauffälligkeiten" zeigt oder plötzlich aggressiv wird, möglicherweise sich oder andere verletzt. Je nach dem Grad des attestierten Suizidrisikos werden Maßnahmen ergriffen: Bei leichter Gefahr wird die "einfache Gemeinschaft" angeordnet.

Das heißt, der Gefangene kommt in die Zelle zu einem Mitgefangenen, oft ein Landsmann bei ausländischen Insassen. Der Mitgefangene könne dem instabilen Häftling "Ängste nehmen", erklärt Dickemann. Zweite Stufe: "ständige Gemeinschaft". Dabei wird der labile Häftling selbst beim Hofgang nicht allein gelassen.

Letztes Mittel ist die Unterbringung im "besonders gesicherten Haftraum" (bgH). Die heißen im Volksmund "Gummizelle", sind aber nur im Asperger Vollzugskrankenhaus mit Gummi ausgestaltet, damit sich die Insassen nicht den Kopf an den Wände anschlagen können. In Heilbronn gibt es zwei bgH im Keller des Gefängnisses. Die Wände sind gekachelt, es liegt nur eine Turnmatte als Matratze im rund zwölf Quadratmeter großen Raum. Häftlinge müssen sich ein reißfestes Hemd anziehen, keine Unterhose. Es gibt einen Notruf nach außen, eine Schauluke nach innen in der Zellentür, keine Kamera.

Notfall

Bei der Einweisung werden die Häftlinge entkleidet und untersucht. "Das muss leider oft mit Gewalt geschehen, weil die Gefangenen sich gegen die Prozedur wehren", berichtet Dickemann. Vollzugsdienstbeamte schauen auch in den Mund, da es schon vorgekommen sei, dass Häftlinge Rasierklingen in den bgH geschmuggelt haben. In Körperöffnungen dürfen die Beamten aber nicht schauen.

Da die Verlegung in den bgH "eine unschöne Geschichte" ist, wie Dickemann sagt, und der Eingriff in die Freiheitsrechte besonders extrem ist, werde diese Maßnahme nur im äußersten Notfall angeordnet. Im Schnitt komme dies in Heilbronn alle zwei bis drei Wochen vor. In der Regel bleiben die Häftlingen bis zu einem Tag im bgH. Hat sich die Situation danach nicht entspannt, "versuchen wir die Leute so schnell wie möglich ins Asperger Vollzugskrankenhaus zu verlegen". Dort gebe es auch Räume mit Kameraüberwachung rund um die Uhr.

 

 

 
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