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Heilbronn
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Beobachter, Zeitzeuge − und Fotokünstler

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Aus Anlass des 90. Geburtstages von Hermann Eisenmenger zeigt das Stadtarchiv eine Retrospektive.

Von unserer Redakteurin Iris Baars-Werner

 

Wo anfangen, wo aufhören? Welches Bild auswählen, welches schweren Herzens nicht? Die bekannten Motive zeigen? Das Meisterwerk, die Dokumentation der Weltgeschichte etwa: Günter Grass 1985 auf der Waldheide, anredend gegen die atomare Bedrohung, um den Schriftsteller herum die Friedensdemonstranten, und doch er, der spätere Literaturnobelpreisträger, aus ihnen herausragend, die Baskenmütze und die Pfeife − alles zum Scherenschnitt vervollkommnet: Man schließt die Augen und sieht immer noch dieses Bild. Oder doch die liebevolle Momentaufnahme des Alltäglichen einer Heilbronner Straßenszene? Die Großmutter mit dem Enkelkind, beide die Hände in geradezu genetisch vererbter Geste auf dem Rücken verknotet?

50.000 Fotos sind das reiche Zeugnis des Berufslebens und Wirkens von Hermann Eisenmenger. 15.000 sind hinzugekommen als auf die vier Jahrzehnte als Cheffotograf der Heilbronner Stimme noch zehn gute Jahre im Ruhestand folgten bis eine schwere Krankheit seiner Leidenschaft für das Fotografieren eine Ende setzte. Ach ja, und dann sind da noch all die privaten Aufnahmen, die seine Frau Elke Eisenmenger (84) in Kartons und Kästen aufgehoben hat.

Originalabzüge

Miriam Eberlein vom Heilbronner Stadtarchiv hat sich durch Tausende Fotos gearbeitet. Müde wurde sie nicht, vielmehr von Foto zu Foto begeisterter: "In diesen Bildern können Sie versinken", schwärmt die Archivarin. Sie hat aus den Tausenden die 450 Bilder ausgewählt, die von 10. November bis 29. Mai 2016 im Otto-Rettenmaier-Haus, dem Haus der Stadtgeschichte Heilbronn, ausgestellt sein werden. Als Einzelfotos im Treppenhaus oder auf großen Schautafeln in der Ausstellungsebene, in Originalabzügen, die Hermann Eisenmenger selbst vergrößert hat, oder als digital verarbeitete Dokumente für jene Ausstellungsbesucher, die in die Tiefe gehen wollen.

Für das Heilbronner Stadtarchiv, dessen Bestände und Sammlungen Miriam Eberlein verantwortet, ist die Retrospektive aus Anlass des 90. Geburtstages von Hermann Eisenmenger an diesem Sonntag nicht nur eine einzelne Ausstellung herausragender "Heilbronner Zeitbilder" der Jahre 1947 bis 2000 (so auch der Titel des umfassenden Katalogs). Die Sammlung der Fotografien Hermann Eisenmengers stuft Eberlein als einen "der wichtigsten Bestände" des Archivs ein. Stadtarchiv und Heilbronner Stimme haben gemeinsam die Nutzungsrechte am fotografischen Werk des Zeitungsfotografen von dessen Witwe Elke Eisenmenger erhalten. Gemeinsam machte man sich an die Mammutaufgabe, die Fotos zu digitalisieren. Stadt- und Zeitungsarchiv haben nun jederzeit Zugriff auf die Fotos.

Verschiedene Rollen

Die Bilder zeigen die so unterschiedlichen und sich genial ergänzenden Rollen auf, in die Hermann Eisenmenger Zeit seines Leben schlüpfte. 1925 in eine kinderreiche Heilbronner Familie hineingeboren, im Januar 2007 in seiner Heimatstadt verstorben, war als Fotograf über Jahrzehnte Chronist, Zeitzeuge, Reporter, Beobachter und Künstler zugleich. Er selbst sah sich als Handwerker − doch diese untertreibende Selbsteinschätzung ist seinem Understatement zuzuschreiben. Viele Worte pflegte er nicht zu machen über sich und seine Arbeit. Lieber wäre ihm stets gewesen, die in ihre eigenen Sätze verliebten Redakteure hätten häufiger auf seine Fotos Rücksicht genommen und ihnen den Platz eingeräumt, der ihnen zweifelsohne gebührte. Das heutige Zeitungsdesign, das den Fotos einen eigenständigen, größeren Raum gibt, wäre so recht nach dem Geschmack von Hermann Eisenmenger gewesen.

 

Info

"Hermann Eisenmenger Fotografien − Heilbronner Zeitbilder 1947 - 2000" 10. November bis 29. Mai 2016, Otto-Rettenmaier-Haus Haus der Stadtgeschichte Heilbronn, täglich (außer Montag) 10 bis 17 Uhr, Dienstag 10 bis 19 Uhr. Eintritt frei.

 
 
 
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