Psychiatrischer Gutachter: Täter ist voll schuldfähig (05.05.2010)
Neulautern - Im Mordprozess Neulautern haben gestern Staatsanwalt und Verteidigerin die Schlussvorträge gehalten. Beide plädierten auf lebenslänglich für Matthias F. (49), der im August 2009 seine Nachbarin Britta Bornemann brutal getötet hatte.
Mordprozess - Auch der psychiatrische Gutachter ist mit seinem Latein am Ende: "Ich habe mir viel Mühe gegeben, mich lange mit dem Fall beschäftigt und nachgedacht. Aber alles, was ich über das Motiv des Verbrechens sagen kann, wäre reine Spekulation." Thomas Heinrich, der erfahrene Sachverständige vom Weinsberger Klinikum am Weissenhof, weiß nicht, warum Matthias F. seine 69-jährige Nachbarin in einer mondhellen Nacht im August 2009 zuerst erschlagen und dann mit einem Elektromesser aufgeschnitten und verstümmelt hat. "Ich habe nichts gefunden, was dieses Tatverhalten erklärt", sagte er gestern beim achten Verhandlungstag vor dem Heilbronner Landgericht. "Ich bin ähnlich ratlos wie mancher hier."
Keine Hinweise
Kann einer wie Matthias F. noch ganz richtig im Kopf sein? Die 3. Große Schwurgerichtskammer hat sich die Antwort auf diese wichtigste Frage im Prozess bis zum Schluss des Verfahrens aufgehoben. Und der Psychiater Thomas Heinrich überrascht alle: "Es gibt Persönlichkeitsauffälligkeiten, aber keine psychische Erkrankung. Der Angeklagte ist voll schuldfähig." Der heute 49-Jährige sei ein Einzelgänger und Sonderling, er habe zurückgezogen in Wüstenrot-Neulautern gelebt. "Aber es gibt keine Hinweise auf eine Störung der Persönlichkeit."
Matthias F. hatte ein gutes Verhältnis zu seiner Familie, war erfolgreich in der Schule, und arbeitete zuverlässig als Gabelstaplerfahrer in seinem Betrieb. Die Intelligenz: durchschnittlich. Alkoholkonsum: schädlich regelmäßig, aber keine Abhängigkeit. Der Rechtsmediziner taxierte den Alkoholpegel bei der Tat auf maximal 1,1 Promille.
Der Psychiater kann daraus weder eine Einschränkung der Steuerungsfähigkeit, noch des Unrechtsbewusstsein ableiten. Die Sexualität: keine Hinweise auf eine Störung, auch keine sadistischen Neigungen. Es fehlten die Kontakte zu Frauen. Ein sexuelles Motiv hält Heinrich für eher unwahrscheinlich. Es sei erstaunlich, dass das Mordopfer ein sexuelles Objekt von Matthias F. gewesen sein soll. "Das passt weder mit dem Alter, dem Äußeren noch der Sympathie zusammen."
Erste Emotion
Mit einem überraschte der Psychologe das Gericht noch mehr: Er hält es eher für wahrscheinlich, dass das Mordopfer selbst psychische krank war. "Das mutet paranoid an, was da in den Aussagen der Zeugen zutage kam." Britta Bornemann wurde von ihrer Schwester als Person bezeichnet, mit der man nicht im Guten leben konnte und die Matthias F. "wie den letzten Dreck" behandelt haben soll.
Matthias F. hat sich gegenüber dem Gutachter nur zu seinem Leben, nicht aber zu der Tat selbst geäußert. Das hat er sich für sein letztes Wort nach den Plädoyers von Staatsanwalt und Verteidigerin aufgehoben. Er kämpfte mit den Tränen, zeigte zum ersten Mal im Prozess überhaupt eine Regung und sagte: "Mein Körper hat es getan, aber nicht allein, ich bin geführt worden, von außen. Ich wollte es nicht."
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