Polizei stürmt falsche Wohnung
Gundelsheim - Es ist früh am Morgen, als ein Sondereinsatzkommando der Polizei bei einer landesweiten Razzia die Wohnung von Ahmad El-Ghandour stürmt und den Gundelsheimer überwältigt. Doch die Polizeibeamten sind einem Irrtum unterlegen - sie haben den Falschen.

Gundelsheim - Todesängste habe der Gundelsheimer Ahmad El-Ghandour ausgestanden, als er in den frühen Morgenstunden des 14. Mai in seiner Wohnung von einem Sondereinsatzkommando der Polizei überwältigt wurde. Der Einsatz gehörte zu einer landesweiten Razzia gegen eine Schleuser- und Betrügerbande.
Ihren Verdächtigen traf die Polizei nicht an. "Wir hatten aber einen hinreichenden Grund, einzudringen", sagt die Stuttgarter Polizeisprecherin Cora Thiele. Der Geschädigte will jetzt rechtliche Schritte unternehmen.
Fixiert
Scheinwerferlicht und die Mündung einer Pistole. Mehr habe El-Ghandour nicht zu sehen bekommen, als ihn gegen 5.45 Uhr fünf oder sechs vermummte Polizeibeamte an seiner Wohnungstür in der Heilbronner Straße in Gundelsheim überwältigten. "Ich hatte keine Ahnung, wer die waren und was die von mir wollten", sagt El-Ghandour. "Tun Sie meinen Kindern nichts", habe er gerufen.
Die Beamten drehten seine Arme nach hinten, Knie und Füße fixierten ihn auf den Fliesen seiner Wohnung. "Wir haben El-N. (Name der Redaktion bekannt). Wir haben El-N.", soll einer der Männer mehrfach über Funk durchgesagt haben. Ein peinlicher Irrtum, wie die Beamten nach rund einer halben Stunde feststellten. Sie hatten den Falschen, und der lag jetzt in Unterhosen und Unterhemd auf dem Boden seiner Wohnung. Sagen konnte er bis dahin nichts. Einer der Polizisten habe ihm die Hand vor den Mund gehalten. "Seien Sie ruhig. Sagen Sie nichts", soll einer der Männer immer wieder geschrien haben.
Aufgewacht waren inzwischen auch die Kinder. Das fünf Monate alte Baby schrie. Aber erst nach einer Weile soll Ehefrau Manal El-Ghandour in Begleitung zweier Polizistinnen ins Kinderzimmer gedurft haben. Den vier älteren Kindern sei der Schrecken in die Glieder gefahren. "Ich war Geisel der Polizei vor den Augen meiner Kinder", sagt El-Ghandour, der in Gundelsheim eine Firma für Straßenreinigung und Hochdruck betreibt und seit rund zehn Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft hat.

Nachdem der Irrtum aufgeklärt war, soll ihm der Einsatzleiter entschuldigend auf die Schulter geklopft haben. El-Ghandour nimmt seit diesem Morgen Zoplicon gegen seine Schlafstörungen. Wegen seiner Schmerzen im Nacken und an den Schultern war er beim Arzt. In Bad Wimpfen hat er einen Psychologen aufgesucht. "Ich habe seitdem keinen Tag gearbeitet", sagt er. Und er sieht seinen Ruf beschädigt. Seine Rechtsanwältin Nicole Glaser aus Cleebronn hat Akteneinsicht beantragt. "Mein Mandant will die Sache nicht auf sich beruhen lassen, sondern verlangt eine Entschädigung."
Polizeisprecherin Cora Thiel weist in Absprache mit der Staatsanwaltschaft Stuttgart jeden Vorwurf zurück. "Die im Vorfeld gewonnenen polizeilichen Erkenntnisse ließen diesen Schritt zu." Um welche Erkenntnisse es sich dabei handelt, sagt sie nicht. "Aus ermittlungstaktischen Gründen."
Tatsächlich hatte der Gesuchte El-N., den die Polizei als gefährlich einstuft, dem Gundelsheimer im Januar dieses Jahres die Fassade seiner Werkstatt verputzt. Mit Vertrag und Steuerkarte. Und bei der Polizei in Neckarsulm hat El-Ghandour für den Gesuchten gegen Quittung eine Steuerschuld von 1083,50 Euro beglichen. "Sonst habe ich mit ihm nichts zu tun.", versichert El-Ghandour.