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Pläne für ein Netz aus Radautobahnen

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Um Neckarsulm und Heilbronn sollen Radschnellwege entstehen. Für den Ausbau steht genug Geld bereit, doch erst einmal müssen die Trassen feststehen.

Von Christian Gleichauf
So großzügig wie die autofreie B27 am Radsonntag werden sie nicht sein: Radschnellwege sollen bald schon die Region durchziehen.
Foto: Berger, Mario
So großzügig wie die autofreie B27 am Radsonntag werden sie nicht sein: Radschnellwege sollen bald schon die Region durchziehen. Foto: Berger, Mario

Das Fahrrad soll mehr Platz bekommen. Breite, kreuzungsfreie Radwege sollen vor allem Pendler dazu bewegen, das Auto stehen zu lassen und - womöglich mit elektrischer Unterstützung - morgens und abends in die Pedale zu treten. Derzeit wird auf zahlreichen Ebenen geplant, wo solche Radschnellwege möglich sind. Denn: Geld ist da, es kann nur nicht verbaut werden.

Sowohl der Bund als auch das Land Baden-Württemberg haben Extra-Töpfe bereitgestellt, aus denen baureife Projekte mit hohen Zuschüssen gefördert werden, wenn sie gewissen Anforderungen genügen. Da fängt es allerdings schon an. Die genauen Anforderungen an Radschnellwege sind noch nicht ausformuliert. Mindestens vier Meter breit sollen sie wohl sein, möglichst störungs- und kreuzungsfrei und nicht in erster Linie touristisch genutzt. Zudem sollen künftig mehr als 2000 Radler täglich auf diesen Verbindungen unterwegs sein.

Geld für Machbarkeitsstudien

Da es momentan allerdings kaum baureife Projekte gibt, werden auch Machbarkeitsstudien gefördert, um neue oder alte Trassen auf Tauglichkeit zu untersuchen. Mit dabei ist nun auch ein Radschnellweg zwischen Offenau und Heilbronn, wie der Landtagsabgeordnete Bernhard Lasotta (CDU) jüngst verkündete. Auf Nachfrage erklärte das Verkehrsministerium in Stuttgart sogar, die Machbarkeitsstudie liege schon vor. Sie sei im Rahmen des Gutachtens, das der Steuerkreis Mobilitätskonzept für den Wirtschaftsraum Heilbronn/Neckarsulm in Auftrag gegeben hat, erstellt worden. Das Gesamtkonzept soll Ende Juli vorgestellt werden - "der große Wurf", wie man aus dem Umfeld des Arbeitskreises hört. Immerhin sind Audi und die Schwarz-Gruppe offenbar bereit, viel Geld in die Hand zu nehmen.

Die Probleme sind allerdings noch größer als die Fördertöpfe: Wie kommen zigtausend Arbeitnehmer auch zu Stoßzeiten zügig zu ihren Arbeitgebern nach Neckarsulm und Heilbronn? Wie sind die Logistikprobleme des Audi-Werks oder die Verbesserung des Verkehrsflusses insgesamt zu lösen? Gespannt darf man sein, welche Rolle die E-Mobilität in dem neuen Konzept spielt, welche Rolle der Wasserstoff, welche Rolle vielleicht sogar app-unterstützte Mobilitätsoptimierungen. Klar ist aber bereits, dass das Radnetz grundsätzlich ausgebaut werden muss.

Was hat es also mit dem Radschnellweg auf sich? Und wie schnell könnte er kommen? Das Verkehrsministerium hat das Kommunikationsmonopol und sagt so gut wie nichts. Offiziell ist Funkstille. Doch manches liegt auf der Hand, anderes ist unter derselben zu erfahren. Die Verbindung Offenau-Heilbronn bietet sich deshalb an, weil der Neckartalradweg schon jetzt an vielen Abschnitten breit genug und kreuzungsarm ist. Trotzdem gibt es Nadelöhre, an erster Stelle die Wehrbrücke bei Neckarsulm, wo sich Radler und Autofahrer gegenseitig ausbremsen. Ohne große Investitionen oder einen Neubau gibt es hier wohl kaum eine Lösung. Und doch hat das Land offenbar entschieden, sich diesen Radschnellweg als ersten in der Region vorzunehmen.

Ost-West-Verbindung

Es ist nicht die einzige Trasse, die infrage kommt. Die Städte Heilbronn und Neckarsulm verfolgen gemeinsam mit dem Landkreis Heilbronn das Ziel, eine Ost-West-Verbindung aus dem Weinsberger Tal ins Leintal mit Abzweig nach Neckarsulm zu verwirklichen. Um Fördergeld für die Machbarkeitsstudie hat sich das Trio beworben. Das Projekt wird spannend, denn in der dicht bebauten Heilbronner Innenstadt ist kaum Platz für einen exklusiv genutzten Radweg. Einzig die Friedrich-Ebert-Trasse unterhalb des Wartbergs, die eigentlich für eine Nordumfahrung B39/B27 freigehalten wurde, käme für eine breite "Radautobahn" auf Anhieb infrage. Dazu müsste sich der Heilbronner Gemeinderat zwar endgültig von den Plänen für eine Autotrasse trennen. Dann wäre dieser Abschnitt aber schnell umzusetzen und hätte gute Chancen auf Förderung durch den Bund. Allerdings endet der Grünstreifen an der B 27, ohne gute Anbindung ans Leintal.

 

Mobilitätskonzepte

Der Termin steht: Am 26. Juli will Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Die Grünen) in Neckarsulm das von Audi und der Schwarz-Gruppe finanzierte Mobilitätskonzept für den Wirtschaftsraum Heilbronn/Neckarsulm vorstellen. Hintergrund ist die Zunehmende Verkehrsbelastung in diesem Raum, vor allem durch Zulieferverkehr und Pendler. Das Gutachten, das von BIT Ingenieure ausgearbeitet wurde, verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz. Details sind bislang allerdings noch nicht an die Öffentlichkeit gedrungen.

Die Stadt Heilbronn arbeitet gleichzeitig an einem eigenen, langfristig angelegten Mobilitätskonzept 2030. Im Frühsommer 2018 soll der Masterplan stehen. 

 

In Bewegung
Ein Kommentar von Christian Gleichauf

Christian Gleichauf
Christian Gleichauf

Bei allen, die täglich unter den Verkehrsmassen leiden, die sich durch das Sulm-, das Neckar-, das Leintal quälen, dürfte die Spannung steigen. Könnte sich mit neuen Verkehrsmitteln etwas zum Besseren wenden? Ist es möglich, die Grenzen von Mobilität und Wirtschaftswachstum zu verschieben? Mancher denkt dabei an autonomes Fahren, an eine schöne neue Welt voller futuristischer Vehikel.

Doch wo tut sich derzeit am meisten? Beim Thema Fahrrad. Das Beispiel der Radschnellverbindungen zeigt, dass mit bekannter Technik etwas in Bewegung geraten kann, wenn mehrere Faktoren zusammenkommen: Der Autoverkehr befindet sich vielerorts kurz vor dem Infarkt. Daran kann auch autonomes Fahren oder die E-Mobilität kaum etwas ändern. Auf öffentliche Verkehrsmittel wollen oder können viele Pendler trotzdem nicht umsteigen. In dieser komplizierten Gemengelage fährt das E-Bike vor und ermöglicht eine zügiges Dahintreten, mitunter an allen anderen Verkehrsmitteln vorbei.

Ein zügiger Ausbau der Radwege ist nun angesagt. Es gilt allein schon, das Unfallrisiko der neuen Rückenwind-Radler zu senken. Je mehr von ihnen sich auf vielbefahrenen Straßen und schmalen Wegen durchzuschlängeln versuchen, desto gefährlicher wird es. Ungewiss bleibt, ob sich am Ende wirklich viele Tausende Pendler auf den Drahtesel schwingen. Doch allein davon sollte man die Planungen nicht abhängig machen. Neue Wege sind auf jeden Fall sinnvoll, weil ja vielleicht noch jemand ein neues, futuristisches Vehikel entwickelt, das die Wege abseits der großen Straßen gut nutzen könnte, auch bei schlechtem Wetter und im Winter. Für neue Ideen braucht es Flexibilität.

Ihre Meinung? christian.gleichauf@stimme.de

 

 

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