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Neue Naturschutz-Regeln für Kocher und Jagst

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Region - Die Landesregierung will den Vögeln an Kocher und Jagst das Leben erleichtern. Der Plan stößt den Anbietern von Ausflügen per Kanu entlang der Flüsse sauer auf: Sie zweifeln die Daten an, auf denen die Regel-Verschärfungen beruhen.

Von Ralf Reichert

Hohenlohe - Das Kochertal ist ein friedlicher Rückzugsort. Doch um die Nutzung des Flusses tobt seit Monaten ein bizarrer Streit. Der Naturschutz würde am liebsten eine Käseglocke über den Kocher stülpen, um den Bestand des Eisvogels und anderer gefährdeter Vogelarten zu sichern. Das geht den Touristikern massiv gegen den Strich. Sie fürchten, der Mensch könnte total ausgeschlossen werden vom Kocher. Der Reiz, das Tal zu besuchen, wäre dahin. Und die beliebten Kanutouren nicht mehr möglich.

Kontrollaktion

Beide Seiten stehen sich unversöhnlich gegenüber, jetzt muss das Landratsamt eine Lösung finden, die allen entgegenkommt. Hintergrund des jüngsten Konflikts, der immer wieder aufflammt, ist eine Kontrollaktion des Landes. Sie soll sicherstellen, dass im Kochertal und seinen Seitenarmen der Naturschutz auch so befolgt wird, wie ihn die berüchtigte EU-Vogelschutzrichtlinie von 1979 vorschreibt.

Bis Mitte der 2000er Jahre kümmerte man sich in Deutschland nicht sonderlich darum. Europa griff ein und erhöhte den Druck. Seitdem müssen die Bundesländer alle sechs Jahre nachweisen, dass die Ziele der Richtlinie erfüllt werden. Anzugeben ist auch, wie sie weiter gesichert werden können.

Dies geschieht in Form so genannter "Managementpläne". Sie untersuchen, wie es um das jeweilige Ökosystem bestellt ist und ob mehr oder weniger Restriktionen nötig sind. Von diesen Plänen gibt es etliche in Baden-Württemberg, aber nur in Hohenlohe werde darüber so unerbittlich gestritten, erklärt Dr. Clemens Homoth-Kuhs, Sprecher des Regierungspräsidiums Stuttgart (RP).

Die Folge: Erst vor wenigen Tagen wurde das Werk fertiggestellt. Zuvor hatten sich beide Seiten derart in Rage geredet, dass von Seiten des RP fieberhaft nach Kompromissen gesucht wurde. Es wurde vermittelt, geschlichtet, beruhigt. Dann verkündete Regierungspräsident Johannes Schmalzl: Naturschützer und Touristiker sollen gleichermaßen zum Zug kommen. Der Plan sichere die Population des Eisvogels langfristig, und lasse zugleich ein "vertretbares Maß touristischer Nutzung zu".

Wie das in der Praxis funktionieren soll, muss jetzt die Untere Naturschutzbehörde des Hohenlohekreises managen. Am 8. April gibt es einen runden Tisch, dann geht es ans Eingemachte. Der Managementplan schlägt vor, die Zahl der Kanuboote auf dem Kocher auf maximal 70 pro Tag zu begrenzen. Dies wäre verpflichtend.

Sollte sich herausstellen, dass selbst dies nicht genügt, um den Lebensraum des Eisvogels zu schützen, könnte der Kocher zwischen Forchtenberg und Sindringen für Boote gesperrt werden. Dass es so weit kommt, damit rechnet derzeit keiner. Eine weitere Überlegung geht dahin, den Grenzpegel für Bootsfahrten von 40 auf mindestens 45 Zentimeter anzuheben. Dies wäre aber freiwillig.

Beweisführung

Doch was stört eigentlich konkret den Frieden der Natur? Gibt es verlässliche Zahlen, wie viele Boote auf dem Kocher fahren und wie der Eisvogel dadurch in seinem Brutverhalten behindert wird? Nein. "Das Grundproblem ist die Beweisführung: von Anfang an", sagt Kreisökologe Hansjörg Weidmann. "Die Frage der Störung wird nie zufriedenstellend beantwortet werden können." Und: Regelmäßige Kontrollen seien unmöglich.

Wie verworren das alles ist, zeigen die Reaktionen der Streithähne. "Wenn mal eine Brutstätte von Störungen betroffen ist, heißt das nicht, dass die gesamte Population gefährdet ist. Der Bestand an Eisvögeln im Kochertal ist immer noch sehr gut, obwohl schon jahrelang Boote fahren", sagt Hans-Günter Lang, stellvertretender Vorsitzender der Touristikgemeinschaft Hohenlohe.

Brigitte Vogel, im Landesnaturschutzverband für Hohenlohe zuständig, kontert: "Ich verstehe nicht, warum die Kanuvermieter so aggressiv auf freies Fahren bestehen." Sie fordert: "Ausweisung weiterer Sperrstrecken, Erhöhung des Grenzpegels auf 45 oder 50 Zentimeter und maximal 35 Boote pro Tag." Dies alles wiederum würde das Aus für Daniel Heffners Event-Firma bedeuten. Der Kanuvermieter aus Niedernhall kritisiert "Zahlen von Bootsfahrten, die an den Haaren herbeigezogen" seien. Der Bootsbetrieb auf dem Kocher sei witterungsbedingt ohnehin stark begrenzt. Kommentar "Ärgerlich"

 

 

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