Jetzt ist der Rechtsstaat Schweinles Freund
Neudenau - Der ehemalige Speditionsunternehmer Gerhard Schweinle holt nach mehreren Freisprüchen zum großen Gegenschlag aus. Vor Gericht will der Neudenauer den Schaden ersetzt bekommen, der ihm durch den Zusammenbruch seines Speditionsunternehmens entstanden ist.

Neudenau - Es ist das gleiche Büro wie damals, in den 90ern, als es hier zugegangen sein muss wie in einem Taubenschlag. Von hier aus wurde eines der größten Speditionsunternehmen Deutschlands geleitet, das „Schweinle-Imperium“, wie es in manchen Berichten später hieß. Später, das war als Fahrzeuge beschlagnahmt und Konten gesperrt wurden und Gerhard Schweinle in Untersuchungshaft musste. Vom guten Ruf als HEC-Sponsor, als Förderer sozialer Einrichtungen und als potentem Arbeitgeber blieb zwischenzeitlich nichts übrig.
Gerhard und Sigrid Schweinle sitzen nun in diesem Büro in ihrem Wohnhaus in Neudenau-Siglingen und erzählen. Und es gibt viel zu erzählen, nachdem die Gerichte ihn von fast allen Vorwürfen freigesprochen haben, Daimler dazu verdonnert wurde, 1,8 Millionen Euro zu überweisen, und das Finanzamt Heilbronn weitere Millionen zurückzahlen muss.
Gegenstimme
Groll hegt der 48-Jährige nicht mehr, weder gegen die Justiz, noch gegen die Heilbronner Stimme, die damals im „Fall Schweinle“ mittendrin war und nicht immer ein positives Bild des impulsiven Mannes gezeichnet hat. Schweinle wehrte sich damals auf ungewöhnliche Weise und ließ seine Sicht der Dinge über die „Heilbronner Gegenstimme“ verbreiten. „Wir waren in unserer Ehre verletzt. Wir haben uns falsch dargestellt gefühlt“, sagt Sigrid Schweinle heute.
Man nimmt Gerhard Schweinle ab, dass er sich verändert hat. 30 Monate in Stammheim können nicht spurlos an einem Menschen vorübergehen. Doch das Temperament ist noch immer da und man kann sich gut vorstellen, dass mit diesem Mann nicht gut Kirschen essen war, wenn es einmal nicht nach seinen Vorstellungen ging. „Wenn ich in einen Raum komme, dann bin ich nach zehn Minuten der Chef.“ Auch solche Sätze kommen an diesem Abend. Womöglich braucht man dieses Selbstbewusstsein, um eine Zeit im Gefängnis so zu überstehen, wie Schweinle es getan hat.
Dass man sich von Rückschlägen nicht aus dem Tritt bringen lassen darf, hat Schweinle schon in jungen Jahren gelernt. Vater Gerhard musste mit seiner Polstermöbelfabrik 1975 Konkurs anmelden. „Wenn du damals Pleite gemacht hast, haben die Leute mit dem Finger auf dich gezeigt“, sagt der Sohn heute. Der Vater machte damals trotzdem weiter und geriet Mitte der 80er Jahre wieder in Schwierigkeiten, musste wieder Konkurs anmelden – tat dies allerdings zu spät. Vater und Sohn standen daraufhin vor Gericht und Gerhard junior machte seine ersten Erfahrungen mit der Gesetzesauslegung.
Immer wieder aufstehen
Die Zeit ist Sigrid und Gerhard Schweinle noch in lebhafter Erinnerung. „Wir konnten uns 1989 manchmal nicht mal mehr die Windeln für unseren Sohn leisten“, erzählt die 49-Jährige. Doch dann fiel die Mauer und die Schweinles kamen wieder zu Wohlstand. „Wir waren die typischen Ostgewinner.“ Die Familie half Südmilch dabei, Ost- zu Westmark zu machen, kaufte später der Treuhand einige Firmen ab, vergoldete auch die. 1992 begann die wechselvolle Zusammenarbeit mit Daimler. Schweinle gehörte Ende der 90er Jahre zu den wichtigen Geschäftspartnern des Autobauers, besaß 550 Sattelzugmaschinen und organisierte unter anderem die Just-in-time-Zulieferung für Sindelfingen.
Als 1999 erstmals die Polizei vor der Tür stand und Schweinle in U-Haft brachte, begann der nächste Abstieg. Zuerst ging es um Sozialversicherungsbetrug, weil seine Subunternehmer Scheinselbstständige gewesen seien. Zudem sollte er seine Subunternehmer betrogen haben. Auch Daimler, wo man nach Aussage Schweinles und laut Überzeugung des Bundesgerichtshofs von den Graumarktgeschäften ihres Großkunden wusste, soll Schweinle betrogen haben. Dazu die Vorwürfe der Steuerhinterziehung.
Zu viel für den Selfmademan, der in den Gerichtssälen regelmäßig polterte, die Autorität der Richter ignorierte und daraufhin in Fuß- und Handschellen vorgeführt wurde. Getroffen hat das Schweinle, gebrochen hat es ihn nicht. Die U-Haft nutzte er, um sich juristisch weiterzubilden und auf den Kampf vorzubereiten, der ihm bevorstand. „Normale Familien zerbrechen in der Regel nach drei Monaten Gefängnis“, sagt Schweinle. Seine hielt auch nach zwei Jahren und sieben Monaten Stammheim zu ihm, bis der Bundesgerichtshof per Fax seine Freilassung anordnete.
„Wir sind wieder da“
Übrig geblieben ist von all den Vorwürfen nichts. Einzig das Verfahren wegen Steuerhinterziehung wird wieder aufgenommen, nachdem das Fachgericht entschieden hat, dass es keine Steuerhinterziehung war. „Wir sind wieder da“, sagt Schweinle. Er hat als „freier Unternehmensberater“ eine neue Existenz aufgebaut, hat „privat mehr Geld als früher“. Und doch ist er Getriebener der Vergangenheit. Er will sein Geld wieder und er strengt Prozesse gegen die Gegner von einst an: Daimler, Betz, Land, Bund. Um Rache gehe es ihm dabei nicht, sagt er. „Rache ist die amerikanische Art. Ich habe immer an den Rechtsstaat geglaubt.“
„Wir klagen nicht, wenn wir keine Chance haben“

Sie klagen gegen Bund, Land und ehemalige Konkurrenten. Das erscheint, vorsichtig ausgedrückt, mutig.
Gerhard Schweinle: Wir haben einen riesigen Schaden erlitten, weil Finanzamt, Staatsanwaltschaft und Gerichte Fehler gemacht haben. Unser Unternehmen wurde zerstört. Unter anderen Umständen hätte das sogar unser Leben dauerhaft ruinieren können. Wir waren unschuldig, wie mehrere höchstrichterliche Urteile gezeigt haben. Jetzt wollen wir zumindest den finanziellen Schaden ersetzt haben.
Warum verklagen Sie aber die Spedition Betz?
Schweinle: Betz hat einen hohen Bundesbeamten bestochen, damit seine Fahrer vor Kontrollen verschont bleiben. Dafür wurde er im vergangenen Jahr verurteilt. Wir können beweisen, dass noch mehr dahintergesteckt hat. Dieser Beamte hat bei unseren damaligen Großkunden vorgesprochen und sie vor uns gewarnt und mit Kontrollen gedroht. Auslöser war dieselbe Bestechung, für die Betz schon verurteilt worden ist.
Glauben Sie, dass Sie solch eine Verschwörungstheorie beweisen können?
Schweinle: Glauben Sie mir, wir gehen nicht vor Gericht, wenn wir keine Chance haben. Sollte das Gericht zu der Überzeugung kommen, dass an den Vorwürfen nichts dran ist, dann muss jemand anderes für den Niedergang unserer Firmengruppe verantwortlich sein, nämlich das Land Baden-Württemberg. Das Finanzamt Heilbronn hat Umsatzsteuer für Fahrzeuge eingefordert, die umsatzsteuerfrei waren. Zudem war ich mehr als anderthalb Jahre in Untersuchungshaft für Vorwürfe, die sich als haltlos herausgestellt haben. Immerhin hatte ich im Gefängnis aber sehr viel Zeit, das Strafentschädigungsgesetz zu studieren.