Interview
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Ein Jahr auf einer einsamen Insel

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Der ehemalige Stimme-Redakteur Adrian Hoffmann hat mit seiner Frau Nina über die gemeinsame Auszeit auf einer einsamen Südseeinsel im Königreich Tonga ein Buch geschrieben.

Von Stefanie Sapara

 

"Da kann doch nicht einfach jemand an unserem Strand herumlaufen! Es ist, als würde jemand in unser Wohnzimmer platzen, anstatt vorher an der Haustür zu klingeln." So schreiben es Nina und Adrian Hoffmann in ihrem soeben erschienenen Buch "Eine Insel nur für uns". Besucher gab es auf ihrer einsamen Südseeinsel, die der ehemalige Stimme-Redakteur und seine Frau von 2010 bis 2011 ein Jahr lang im Königreich Tonga bewohnt haben, äußerst selten. Es war ein Leben ohne Strom- und Wasseranschluss und manchmal auch ein Leben mit Angst. Immer aber ein Leben in der Gewissheit: "Was wir hier tun, ist genau das Richtige", wie Adrian Hoffmann im Interview mit der Heilbronner Stimme erzählte.

Adrian, was fehlt euch hier in Deutschland am meisten?

Adrian Hoffmann: Das Barfußlaufen. Das Unbeschwerte. Die Freiheit, das tun zu können, was wir wollen - und wann wir wollen. Und diese typischen Männerdinger: Feuer machen, Fische fangen. Nina würde sicher sagen: die Sonnenuntergänge.

Habt ihr es jemals bereut, von eurer einsamen Insel zurückgekommen zu sein?

Hoffmann: Die Insel hängt uns immer noch nach, ja. Irgendwie sind wir schon ein wenig zivilisationsunfähig geworden. Ich vor allem. Andererseits: Wir kamen zurück, weil es nach einem Jahr einfach an der Zeit war, und weil wir uns ein Kind gewünscht haben.

Wieso wolltet ihr damals unbedingt weg?

Hoffmann: Wir hatten uns 2008 zum ersten Mal eine Auszeit genommen. Das, was viele machen: sich ein Jahr die Welt ansehen. Damals waren wir längere Zeit auf Fidschi und sind der Südsee verfallen. Danach war die Sehnsucht groß, noch einmal für ein Jahr zurückzukehren. Der Vorteil beim zweiten Mal war dann auch, dass wir schon Erfahrung hatten, dass wir wussten, auf was es ankommt.

Auf was zum Beispiel?

Hoffmann: Wir haben uns in Deutschland mit Medikamenten eingedeckt - für jeden Fall der Fälle. Dann haben wir uns auf der Hauptinsel von Tonga jede Menge Lebensmittel gekauft, damit unser Nahrungsplan abwechslungsreich bleibt. Wir haben uns mit Einheimischen unterhalten und viel gelesen, über Fische und Pflanzen.

Hattet ihr keine Angst?

Hoffmann: Nein. Nie. Da war nur Vorfreude. Wahnsinnig viel Vorfreude.

Auf der Insel gab es dann aber Momente, in denen ihr überlegt habt, abzubrechen.

Hoffmann: Ja. Es gab zum Beispiel einen sehr schlimmen Zyklon, das war eine extrem bedrohliche Situation. Wir hatten Wasser in unserer Hütte, Bäume stürzten um, tote Vögel lagen auf der Insel, ganze Strände waren komplett verändert, Felsen freigespült. Unser Gemüsegarten wurde zerstört. Aber irgendwie haben wir immer an unseren Inseltraum geglaubt. Auch in diesem Moment. Also sind wir geblieben.

Auch, als die Seegurkenfischer kamen.

Hoffmann: Das war das Schlimmste. Die Szenen gehen uns bis heute nicht aus dem Kopf. Eines Tages tauchten mehrere kleine Boote am Horizont auf, plötzlich standen 40 Tongaer und Chinesen an unserem Strand und kündigten an, drei bis vier Monate zu bleiben. Wir dachten, wir müssen gehen. Sie saßen mittags schon am Strand, haben Alkohol getrunken. Nina hatte Angst. Wir haben mit der Machete am Bett geschlafen. Unser Glück war der deutsche Honorarkonsul auf Tonga, der die Navy verständigt hat, denn das Seegurkenfischen ist illegal. Die Fischer haben Wind davon bekommen und sind abgehauen. Kurz darauf standen tongaische Soldaten vor uns und befragten uns. Das war der surrealste Moment überhaupt. Wir konnten also bleiben, trotzdem hat das Spuren hinterlassen. Wir hatten Angst, sie könnten zurückkommen. Gleichzeitig haben wir die Einsamkeit noch mehr geschätzt. Weil wir wussten, wie schnell das Inselglück vorbei sein kann.

Zum Inselglück gehörten auch ein paar Luxusgegenstände, die unbedingt mit mussten. Welche waren das?

Hoffmann: Lebensmittel waren unser Luxus. Eingeschweißter Käse. Und Nutella! Ansonsten haben wir vor allem auf praktische Dinge geachtet, wie ein Solarpaneel, damit wir Laptop- und Kamera-Akku aufladen konnten. Und Bücher waren uns wichtig. Man wird genügsam, man braucht nicht viel.

Wenn man sonst keinen Ansprechpartner hat, könnte man vermuten, dass es oft zu Streit kommt.

Hoffmann: Die Leute glauben das nie, aber genau das war bei uns nicht der Fall. Ich glaube, weil es keine äußeren Einflüsse gab. Hier zu Hause haben wir eine ganz normale Streitkultur. Aber auf der Insel hat es ganz selten mal Knatsch gegeben. Vielleicht auch wegen unserem Hund Sunday - quasi unserem Freytag. Es war klar, dass er auf die Insel mitkommt, er gehört zur Familie.

Im Buch schreibt ihr, dass es trotz aller Liebe zur Insel auch einsame Momente gab.

Hoffmann: Wenige, aber ja, es gab sie. An Weihnachten zum Beispiel oder zu unseren Geburtstagen. Aber wir hatten ja auch unser Insel-Satellitentelefon. So gab es die Möglichkeit, zur Familie Kontakt zu halten.

Habt ihr darüber hinaus etwas vermisst?

Hoffmann: Ja, ungesundes Essen! Pizza und Eis.

Nun werden viele denken: Klingt toll, aber wird ein Leben auf einer 1000 Meter langen und 300 Meter breiten, einsamen Insel nicht irgendwann wahnsinnig langweilig?

Hoffmann: Nein, nie. Wir haben in unserem Gemüsegarten gearbeitet, waren fischen, haben Inselwege geschlagen, waren schnorcheln und baden, saßen am Lagerfeuer. Es war jeden Abend wieder toll, am Feuer zu sitzen und zu beobachten, wie die Flughunde von unserer zur Nachbarinsel flogen. Wir haben mit unserem Hund gespielt und sind mit der Machete über die Insel gezogen. Nein, uns war nie langweilig.

Geschichten über Auswanderer, die denken, in fernen Ländern ihr Glück zu finden, kennt man übers Fernsehen. Oft scheitern sie. Was ist euer Auswanderer-Tipp?

Hoffmann: Man muss das Land kennen, in das man gehen möchte. Ich muss wissen: Passe ich da rein? Diesen Vorteil hatten wir. Wir kannten die Südsee. Wir haben heute noch viele Kontakte nach Fidschi und Tonga, sowohl zu Einheimischen als auch zu Auswanderern. Und letztere sind übrigens nicht unbedingt die glücklicheren Menschen.

Im Buch schreibt ihr: "Vielleicht wäre es besser gewesen, wir hätten nie eine einsame Insel betreten." Wie ist heute die Gefühlslage, wehmütig oder glücklich?

Hoffmann: Schon wehmütig. Aber dass wir nicht mehr für einen längeren Aufenthalt zurückkehren, das steht fest. Der Wille wäre da, aber die äußeren Umstände nicht. Mit Kind sollte man sesshaft sein. Ein Kind verändert alles. Und das ist auch gut so.

Eure Tochter ist jetzt drei Jahre alt, im Januar wart ihr mit ihr für einige Wochen auf eurer Insel.

Hoffmann: Ja, wir wollten unbedingt nochmal hin. Um es ihr zu zeigen, aber vielleicht auch, um von dieser längeren Form von Auszeit Abschied zu nehmen. Mein Traum wäre ja, jedes Jahr für zwei Monate auf der Insel zu sein und zwar immer im Wechsel mit anderen, die sich in der Zwischenzeit um die Insel kümmern. Damit immer jemand schaut, dass nicht alles verkommt. Wer Interesse an solch einer Kooperation hat, kann sich gerne bei mir melden (lacht).

Was bleibt am Ende?

Hoffmann: Das werden wir oft gefragt. Alle denken immer, man ist jetzt viel gelassener und entspannter. Stimmt nicht. Hier waren wir schnell wieder im System. Der Alltag hat einen ruckzuck wieder. Was bleibt, ist die Erinnerung.

 

Serie: Flaschenpost

Nina und Adrian Hoffmann aus Bad Wimpfen haben in ihrer Stimme-Kolumne über ihre Inselabenteuer berichtet. Die Artikel haben wir in einem pdf-Dokument zusammengefügt:

Dateiname : Flaschenpost: Alle Serienteile zum Nachlesen
Dateigröße : 8172161
Datum : 18.05.2016
Download : jetzt herunterladen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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