Der Mann, der vom Blitz getroffen wurde
Widdern - Noch immer spürt Uwe Bergdolt die Folgen eines verhängnisvollen Maigewitters. Sechs Tage lang lag der 46-Jährige nach einem Blitzschlag in den Feldern bei Unterkessach auf der Intensivstation.
Widdern - Es geschieht am Dienstag, 11. Mai, kurz vor 19.30 Uhr. Uwe Bergdolt aus Widdern ist mit seiner Frau spazieren, als ein Gewitter heraufzieht und der Regen stärker wird. Er denkt sich nichts dabei, spannt den Regenschirm auf. Plötzlich ist es gleißend hell um ihn. Ein Blitz schlägt auf ihn ein, Bergdolt sackt zu Boden. Seine Frau Erika bleibt unverletzt und holt Hilfe. Uwe Bergdolt dagegen erleidet schwere Verletzungen und liegt tagelang in der Intensivstation des Möckmühler Krankenhauses.
Heute, rund drei Monate danach, hat sich der 46-jährige Widderner Stadtrat gut erholt – wenngleich er noch immer die Folgen spürt.
Nervenschmerzen
„Ich habe seitdem ein leichtes Summen im linken Ohr“, sagt Bergdolt. Außerdem habe er die letzten Wochen wieder einmal Schmerzen in den Füßen gehabt, die Nerven sind belastet. Zum Glück seien die Probleme von einen auf den nächsten Tag verschwunden. Jetzt hofft er, dass es dabei bleibt. Die größeren Brandwunden in der Leistengegend sind alle abgeheilt, ebenso die kleineren Wunden an Brust, Beinen und Füßen. Zurück blieben Narben.
Trotz all den lästigen Nachwirkungen kann Bergdolt sein Glück kaum fassen – immerhin sterben nach Angaben von Ärzten 50 Prozent der Menschen, die einem Blitz zum Opfer fallen. Und Bergdolt kann sogar wieder joggen. Nur bei manchen körperlichen Anstrengungen wird er an den 11. Mai erinnert. Wenn er zum Beispiel den Rasen mäht. „Am Handgelenk spüre ich dann einen Schmerz.“ Bergdolt ist vorsichtiger geworden, seit er am eigenen Leib erfahren hat, welche Macht die Natur hat. „Ich darf gar nicht daran denken, wie das hätte ausgehen können“, sagt er.
Eine zerfetzte Jogginghose mit Brandspuren, eine Jacke mit einem fußballgroßen Loch und ein Joggingschuh mit einem Riss an der Stelle, wo der Blitz aus seinem Körper ausgetreten ist, sind die stummen Zeugnisse jenes Ereignisses.
Respekt
Wenn ein Gewitter heraufziehe, geht Bergdolt seither nicht mehr aus dem Haus. Es sei nicht so schlimm, dass er Angstzustände habe. „Aber eben Respekt.“ Auf die Nachricht hin, dass er, der stellvertretende Bürgermeister, vom Blitz getroffen wurde, hatte es etliche Reaktionen gegeben. Bei ihm habe sich sogar eine 89-jährige Frau aus Neckarsulm gemeldet, die 1931 von einem Blitz getroffen wurde. Sie wolle unbedingt, dass er mal bei ihr vorbeikomme – was er auch tun werde. Und einen seltsamen Zufall gebe es da auch noch: Mit dem Bruder des Mannes, der 2005 in Ilsfeld von einem Blitzschlag schwer verletzt wurde, arbeitet Bergdolt in der Entwicklung bei Audi.
Die Geschichte, wie jener Abend ablief, hat er schon mehrere Hundert Male erzählt. „Jeder will es wissen“, sagt er. Aber das sei ja klar. Er sei letztlich froh, dass alles glimpflich abgelaufen ist. „Es war ein Schrecken für die ganze Familie.“
Zweites Leben
Sechs Tage lang lag Uwe Bergdolt nach dem Blitzschlag in den Feldern bei Unterkessach auf der Intensivstation im Möckmühler Krankenhaus. Heute geht es immer wieder richtig gut – es ist wie ein zweites Leben. Rund ein Kilometer waren seinen Frau und er von ihrem Haus entfernt, als der Gewitterregen stärker wurde. Die Blitze seien eigentlich „weiter weg“ gewesen, als es kurz darauf passierte. Es habe sich angehört, als würden zehn Kanonen auf einmal entzündet. Funken sprühten wie Silvesterfontänen. Mit Hilfe seiner Frau und weil er sich auf dem Boden herumgewälzt hat, konnte er die Schmorflammen an seiner Jacke ausdrücken.