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Von Fleischbossen und Schlachthöfen

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Neckarsulm - Engagierte Aufführung der Theater-AG des Albert-Schweitzer-Gymnasiums

Von unserer Mitarbeiterin Ute Plückthun

Johanna Dark (Carmen Streibel) stemmt sich gegen die Machenschaften der Fleischbosse.Foto: Ute Plückthun
Johanna Dark (Carmen Streibel) stemmt sich gegen die Machenschaften der Fleischbosse.Foto: Ute Plückthun

Neckarsulm - Nur kurz blitzen die aktuellen Anspielungen auf die Pleite der Lehman Brothers und die Entlassungen bei General Motors auf, um der klassischen Aufführung des epischen Theaterstücks Platz zu machen: Zweimal zeigte die Theater-AG des Neckarsulmer Albert-Schweitzer-Gymnasiums im Paulus-Gemeindehaus eine engagierte Fassung von Bertolt Brechts "Die Heilige Johanna der Schlachthöfe".

Warme Suppe

Erzählt wurde die Geschichte von Johanna Dark, die den ausgesperrten Arbeitern auf den stillgelegten Schlachthöfen Chicagos den Glauben an Gott näherbringen will. Die gesichtslosen Massen interessieren sich aber eher für eine warme Suppe, egal, woher sie kommt. Beim Versuch, den Fleischerkönig Pierpont Mauler zu einer Wiedereröffnung der Fabriken zu bewegen, gerät sie tiefer in den Strudel wirtschaftlicher Machenschaften der Fleischbosse und muss am Ende ihr Scheitern eingestehen.

Die Proben haben sich gelohnt: Unter Leitung von Lehrer Eberhard Fendrich, der die Theater-AG in diesem Schuljahr übernommen hatte, zeigten die Schülerinnen und Schüler eine überzeugende Aufführung. Allen voran die beiden Hauptprotagonisten Johanna Dark (emphatisch und gekonnt entrückt: Carmen Steibel, in der zweiten Aufführung Vivien Thumb) und Fleischkönig Mauler (offenkundig raffiniert und nur scheinbar nett: Daniel Maier).

Doch auch die Nebenrollen boten Platz für schauspielerisch solide Leistungen, etwa der dauerhaft süffisant grinsende und aalglatte Makler Slift (Hannes Halter), die überzeugend verzweifelte Witwe Frau Luckerniddle (Büsra Sengöz) oder die ab und an zum Sprechchor mutierenden Arbeiter, Aufkäufer oder Schwarzen Strohhüte. Zahlreiche Schüler von der achten Klasse bis zum Abschlussjahrgang belegten zudem Doppelrollen. Auch das wandelbare und in bestem Brechtschen Sinn einfache Bühnenbild hatte die Theater-AG selbst erstellt. Augenfällig sind die Parallelen des in der Weltwirtschaftskrise 1929/30 entstandenen Stücks mit Auswüchsen der heutigen Zeit: Prangert es doch die Folgen eines ungezügelten Kapitalismus und die Auswirkungen für den kleinen Mann an. Doch stellt der Kommunist Brecht, stets auf Veränderung dringend, zugleich auch das Scheitern jeglichen sozialen Kompromisses und die christliche Reformhoffnung schonungslos an den Pranger.

Stetige Veränderung

Engagiert spielten die Neckarsulmer Schüler das nicht leicht verdauliche Stück, in einer postkommunistischen Zeit, in der sich Globalisierungsfanatiker, Manager und Wirtschaftsbosse die stetige Veränderung selbst rigoros auf die Fahnen geschrieben haben. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen ist Brecht aus dem klassischen Literaturkanon nicht mehr wegzudenken und eignet sich für die Theateraufführung einer Schule umso mehr.

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