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Anwohner beklagen verlorenes Naturkleinod

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Stauferstadt ließ drei Tujabäume auf jüdischem Friedhof fällen − Mauer war gefährdet

Von Ute Plückthun
Wie Architekt Klaus Holfelder am Überrest einer der drei gefällten Tujas auf dem jüdischen Friedhof zeigt, hatten sie einen imposanten Stammdurchmesser.Foto: Plückthun
Wie Architekt Klaus Holfelder am Überrest einer der drei gefällten Tujas auf dem jüdischen Friedhof zeigt, hatten sie einen imposanten Stammdurchmesser.Foto: Plückthun

Klaus Holfelder hat sich "damit abgefunden. "Eine Mordswut im Bauch" hat er trotzdem. Auch für einen seiner Nachbarn ist es ein "Desaster, das wie ein Zerstörungsakt anmutet". Was die Bad Wimpfener empört? Die Stadt Bad Wimpfen hat drei Tujas auf dem jüdischen Friedhof direkt vor ihrer Haustür in der Erich-Sailer-Straße fällen lassen.

"Das waren drei majestätische und kerngesunde Bäume mit einem Stammdurchmesser von rund 1,10 Meter und einem Alter von über 100 Jahren", sagt Architekt Holfelder, der "von der Abholzaktion und dem Blick auf die nackte Friedhofsmauer total geschockt" ist. Der Friedhof habe sein idyllisches Dach verloren und Tiere wie Käutzchen und Wildtauben ihren Rückzugs- und Nist-raum.

Landesrabbiner "Wir fällen Bäume nicht aus Jux und Dollerei", rechtfertigt Bürgermeister Claus Brechter die Entscheidung, noch vor dem 1. März mittels einer Fachfirma aktiv geworden zu sein: "Sie drohten, die Friedhofsmauer zu zerstören." Damit habe man dem Wunsch des Landesrabbiners entsprochen, der in einer Ortsbesichtigung 2014 diesen Zustand kritisiert habe − im Beisein von Architekt Holfelder.

"Die Friedhofsbetreuung obliegt uns nach den religiösen Vorschriften", bestätigt Angelika Jung-Sattinger, Assistentin des Landesrabbinats in Stuttgart. Deshalb stehe man mit den zuständigen Stellen in Bad Wimpfen in periodischem Kontakt.

Die Kritik ist Klaus Holfelder im Gedächtnis, nicht aber, dass der Landesrabbiner explizit die Fällung gefordert habe. Er unterstellt der Stadt als Grundstückseigentümerin mangelnde Sensibilität im Umgang mit den drei aus seiner Sicht landschaftsprägenden Bäumen. Jahrzehntelang sei bekannt gewesen, dass die Bäume die Mauer an einigen Stellen weggerückt hätten. Eine akute Einsturzgefahr sieht er trotz etlicher bereits verschobener oder herausragender Steine nicht: "Wie schon früher hätte man die Stabilität der Mauer durch das Einsetzen von Eisenbändern erhalten können." Solche Überlegungen seien aber gar nicht in Betracht gezogen worden.

"Die Verwaltung hätte die Stellungnahmen der Naturschutzverbände einholen müssen", bemängelt Klaus Holfelder im Nachhinein. Denn im Rahmen des Flurbereinigungsgesetzes seien klare Vorgaben verletzt worden: Einzelbäume dürften laut Paragraf 34 nur in Ausnahmefällen, soweit landeskulturelle Belange insbesondere des Naturschutzes und der Landschaftspflege nicht beeinträchtigt werden, und mit Zustimmung der Flurbereinigungsbehörde beseitigt werden.

Ob durch die Fällung der drei Tujas die Ziele der Flurbereinigung im betroffenen Gebiet Winterberg beeinträchtigt sind, beantwortet Diplom-Biologe Gottfried May-Stürmer, Geschäftsführer der BUND-Regionalgeschäftsstelle Heilbronn-Franken, vorsichtig: "Der angrenzende Grünbestand gehört zum Biotop, nicht aber die Bäume auf dem Friedhof." Horst Schulz vom Nabu Bad Friedrichshall und Umgebung macht klar: "Wenn die Kettensägen schon im Einsatz waren, kann die Flurbereinigungsbehörde nichts mehr machen."

Abfindung Rainer Steidl, Projektleiter der Flurbereinigung Bad Wimpfen (Winterberg) sieht keine rechtliche Handhabe: "Der Verhinderungsparagraph besagt nicht, dass im Flurbereinigungsgebiet nichts mehr passieren darf." Zumal eine "wertgleiche Abfindung" für die Tujas erbracht werde. Die zuständige Mitarbeiterin des Landratsamts weist darauf hin, dass die Tujas als nicht heimische Pflanzen anzusehen seien. Zudem dürfe auf Judenfriedhöfen gesetzlich nichts verändert werden.

Bürgermeister Brechter hat "Verständnis für die Nachfrage", fordert aber "Akzeptanz". Vor allem, wenn Klaus Holfelder als stellvertretendes neutrales Mitglied im Vorstand der Flurbereinigung "der Sachverhalt bekannt" sei. Eine Zufahrtsmöglichkeit, die im Rahmen der Flurbereinigung am Haus der Familie vorbeiführt, lassen ihn weiterreichende "persönliche Interessen nicht ausschließen".

Für den Architekten ist dagegen klar: "Mit einer Baumschutzverordnung, wie sie viele andere Kommunen haben, würden die Tujas noch leben." Eine andere Bad Wimpfenerin, die das Gelände seit Jahren kennt, bringt es auf den Punkt: "Jetzt ist der Friedhof tot."

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