Fingerspitzengefühl für Fahrzeugklassiker
Modellbauer Gerhard Bauer macht Nostalgie auf Rädern lebendig.

Das Tüfteln ist sein Hobby, die Detailarbeit seine Leidenschaft: Wenn Gerhard Bauer an einem seiner Miniaturfahrzeuge baut, sind Lupe und minimalistisches Spezialwerkzeug ebenso gefragt wie Einfallsreichtum und Improvisationstalent. Seit Jahrzehnten hat sich der Hagenbacher dem Modellbau verschrieben.
Würdiger Platz
Bereits der Weg in seine Kellerwerkstatt überrascht: Glänzende und in warmem Holz gefertigte Zweiräder stehen dort akribisch auf Regalen in Reih und Glied, wo sich üblicherweise nur eine nackte Decke befindet. Vor Jahren hat er sie mit Ewald Englert gebaut, hier haben sie ihren würdigen Platz gefunden. Denn in die kleine Hobbywerkstatt zieht es Gerhard Bauer regelmäßig. Eine Fräsmaschine, eine Portaldrehmaschine und ein Drehband befinden sich darin. Dazu überall fein säuberlich geordnetes Werkzeug, sogar Spezialutensilien vom Zahnarzt: Der Modellbau erfordert Fingerspitzengefühl.
Vom Schrottplatz besorgt er sich Metall, aus dem gesägt, geklopft und gefräst wird, um Originale in Miniaturform nachzubilden. Etwa einen Sattel aus Kupferblech, mit Leder belegt. Auch auf Flohmärkten oder im eigenen Gerätefundus wird er fündig: So wurden aus einem Laubrechen die Feder und aus Stricknadeln die Achsen für sein fahrtüchtiges Motor-Veloziped, im Jahr 1888 von Maybach als unverwirklichtes Projekt ersonnen. Kleine kunstvolle Teile wie Pedale oder Kühlerfiguren lässt er bei einer mobilen Kunstgießerei eines ehemaligen Bachert-Mitarbeiters im Wachsausschmelzverfahren herstellen.
Fahrzeuge, die es im Original nicht mehr gibt oder noch nie gab, reizen Gerhard Bauer besonders. NSU und Maybach liegen ihm am Herzen. Sein Wissen holt er sich aus Büchern: Bilder, Konstruktionspläne, Beschreibungen und Skizzen studiert er genau. Manchmal hilft ihm auch der Zufall: Von der ersten Neckarsulmer Reiselimousine mit Alu-Karosse, dem 1913 ersonnenen eiförmigen 8/24 HP, war so gut wie jede Spur verschwunden. Erst tauchte ein Bild auf, das ihn faszinierte. Später fand er auf einem Flohmarkt am Rande der "Eiffel Klassik" eine in jedem Einzelteil aufgeführte Ersatzteilliste. "Schlagartig war alles da", sagt er vom Hintergrundwissen. Heute dient die Rarität en miniature mit von Hand geklopfter Hochglanzkarosserie in einer Vitrine als Sockelauflage des Schreibtisches.
"Ich lege großen Wert auf Originaltreue", sagt der 76-jährige Rentner, der erst bei der NSU und dann bei der Audi AG als gelernter Maschinenschlosser und späterer Meister im Vorrichtungs- und Maschinenbau beschäftigt war. "Mich interessiert jedes Detail und jedes Stückchen, das da dran ist."
In seinem Arbeitszimmer stehen NSU-Rekordmotorräder in Regal über Regal. Etwa das aerodynamische Geschoss des 1924 zum Motorradmeister gekürten Freiherrn von Koenig-Fachsenfeld: hinten einer Fischflosse und vorne dem Zeppelin nachempfunden. Seinen Nachbau im Maßstab 1:5 hat er im Windkanal der Stuttgarter Uni testen lassen. "Keinerlei Verwirbelungen."
Enkel
Mit dem NSU "Germania" Hochrad als Weihnachtsgeschenk für Sohn Hubert fing 1962 die Leidenschaft an. Seitdem hat der dreifache Vater und fünffache Opa rund 70 Modelle hergestellt. In seine Fußstapfen tritt der im Saarland wohnende Enkel Julian Schwaiger: Er erwies sich im Mai beim Schüler-Nachwuchswettbewerb "Looping", der von Ingenieurkammern aus fünf Bundesländern ausgelobt worden war, mit seiner "Green Mamba" als zweitbester Achterbahnbauer seiner Altersklasse.