Millionen Kilometer durch Heilbronn gedreht
Dieter Seeger ist rund 22 Jahre lang Linien-Busse gefahren, jetzt geht er in Rente und kann's doch nicht ganz lassen
Dieter Seeger hat mit dem Stadtbus einige Millionen Kilometer kreuz und quer durch Heilbronn zurückgelegt und mehrere Millionen Menschen haben ihm dabei zugesehen. Sein Motto lautete stets: "So wie's in den Wald hinein schallt, so schallt es auch heraus." Meistens ist es immer sehr freundlich hinein und heraus geschallt. Denn Seeger ist ein Busfahrer von altem Schrot und Korn, einer, der seinen Job nicht nur als Gelderwerb betrachtet. Er war seine Leidenschaft.
Einmal hat er ein Ehepaar auf der Linie 7 an der Theresienwiese aufgegabelt, das ihn nach dem Weg fragte. Dieter Seeger hat den Ortsfremden so nett geantwortet, dass das Paar seinem Chef bei den Verkehrsbetrieben einen Dankesbrief geschrieben hat. Darin stand: Wenn man eine Stadt als Botschafter so vertritt wie dieser Busfahrer, dann kommt man gerne wieder. So was macht den Pensionär natürlich stolz. Und darauf kann sich der Fahrer der Verkehrsbetriebe mit der internen Nummer eins auch durchaus etwas einbilden.
Gleichwohl, ein Busfahrer muss ab und an mal seine Autorität zeigen, souverän auftreten, bestimmt und selbstsicher sein - bei aller Freundlichkeit. So begriff der gebürtige Lauffener seinen Beruf. Klar dass er, wenn auch selten, auch mal zupacken musste. Dieter Seeger kann sich noch an die Schwarzfahrerin erinnern, die dem Kontrolleur, der sie erwischte, statt ihre Untat zu gestehen beherzt zwischen die Beine trat - "eine rabiate Frau, sage ich Ihnen!". Da halfen Dieter Seegers viele Hobbys, zum Beispiel Judo. Der Busfahrer klemmte die wenig charmante Dame elegant in den Sitz, bis die Polizei kam. Der Kontrolleur war ja zu nichts mehr fähig.
Seeger, der nie einen Unfall selbst verschuldet hat, und seit 1966 unfallfrei fährt, weiß nicht nur durch brutale Schwarzfahrer, wie aggressiv der Straßenverkehr heutzutage geworden ist. Früher, da war das alles gemütlicher. Es gab weniger Autos, die Getriebe der Busse waren nicht synchronisiert und das Lenken noch richtige Arbeit. Damals gab's keine Servounterstützung, ABS und den ganzen Schnickschnack. Und heute, da fahren sich die Linienbusse fast wie Autos, aber der Verkehr, der ist viel gefährlicher geworden. "Zum Beispiel blinkt heute kaum noch einer, das ist eine Unart."
Was soll's? Dieter Seeger hat das alles hinter sich. Am Gründonnerstag war seine letzte Tour. Er muss ein wenig schlucken, wenn er davon erzählt - die Wehmut macht den Mund trocken, die Worte sprudeln nicht mehr so. Früh morgens hat er sich extra einen supermodernen Gelenkbus für die letzte Fahrt genommen. Punkt 8.35 Uhr war Feierabend - für immer. Den letzten Fahrplan hat er in Folie geschweißt, selbst die Abrechnungen der Tickets dieser Fahrt hebt sich der Rentner als Erinnerungsstücke auf. Für ihn sind diese Daten Reliquien. Er wird sie immer in Ehren halten.
Gut, so einer wie Dieter Seeger kann nicht ganz vom Busfahren lassen. Auch im Ruhestand, wenn das Heimweh zu arg wird, will Seeger noch bei den Verkehrsbetrieben aushelfen und sich hinters Lenkrad setzen. Das habe ihm sein Chef versprochen. Ansonsten bleiben dem Mann, der drei Kinder und fünf Enkel hat, noch seine Hobbys. Das Wandern zum Beispiel. Seeger war nicht nur Landeswanderwart beim Schwäbischen Turnerbund und gründete 1980 beim TSV Untereisesheim für die Abteilung Turnen eine Wandergruppe. Er spielt außerdem Hammondorgel und ist überhaupt ein geselliger Typ.
Nur dass seine Frau nach zwei Schlaganfällen in einem Pflegeheim liegt, das hat dem lebensfrohen Mann am Ende von insgesamt 49 (!) Arbeitsjahren, in denen er in die Rentenkasse eingezahlt hat, doch ziemlich zugesetzt. "Zum Glück habe ich einen guten Freundeskreis, der mir beisteht, der einen als Mensch an der Oberfläche hält - vor allem meine Cousine." Das sei am Ende alles, was zähle im Leben.
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