Wirte finden kein qualifiziertes Personal mehr
Gaststätten auf dem Land leiden unter dem Fachkräftemangel in der gehobenen Gastronomie. Das Restaurant Adler in Bönnigheim muss schließen. Noch keine Probleme hat hingegen der Adler in Botenheim.

Andreas Müller weiß sich nicht mehr anders zu helfen: Sein Bönnigheimer Restaurant Adler am Schloss ist seit Ende März geschlossen - nach 17 Jahren. Aber nicht, weil es an Kundschaft fehlt. Müller findet kein Fachpersonal mehr für die Küche. Im Hotelbetrieb, der ungeachtet dessen weiterläuft, bleibt die Küche künftig kalt.
Die Rede ist nicht von Studenten, die kellnern. Die gebe es genug im nahen Ludwigsburg. Müller, der auch einen großen Catering-Betrieb führt und eine Schulmensa bewirtet, weiß: "Jobs im Catering werden immer attraktiver."
Drei Jahre Ausbildung zum Restaurant-Fachmann
"Aber in gehobener Gastronomie à la carte braucht man eine Fachkraft, die tranchieren und eine Weinempfehlung erteilen kann." Nicht umsonst sei der Restaurantfachmann ein dreijähriger Ausbildungsberuf. Den ergreifen aber immer weniger junge Leute. In Zeiten von Vollbeschäftigung sei ein Beruf, der regelmäßig Nachtarbeit und Wochenenddienste vorsehe, nicht mehr attraktiv. Und wer vormittags bereits am Herd steht, möchte abends nicht bis weit nach Sonnenuntergang weitermachen.
Andreas Müller sieht das, denn er ist Prüfer für die IHK. "Eltern sagen: Geh nicht in die Gastronomie!" Der Berufsstand beklage mangelnde gesellschaftliche Akzeptanz. Dieser Wind wehe letztlich auch den Beschäftigten ins Gesicht. Jedes Jahr kommen weniger Absolventen.
Hinzu komme eine Flut von Verordnungen wie Nachtruhezeiten, Teilarbeitspausen, ein aufwendiges Berichtswesen: "Die Verantwortung kann man als Unternehmer kaum mehr tragen." Entlohnung sei kein Problem: "Der Mindestlohn kann ruhig bei elf Euro liegen", sagt Müller.
Hoher Arbeitsaufwand erhält keine Wertschätzung
Das Problem Fachkräftemangel in der Gastronomie kennt auch Uwe Straub vom Löwen in Leingarten. Seit wenigen Wochen hat der Wirt nun auch dienstags geschlossen. "Wer arbeitet denn noch am Samstag, am Sonntag, an Ostern?", fragt der Wirt.
Vor den Toren Heilbronns gelegen konkurriert er auf dem Arbeitsmarkt auch mit den Konzern-Kantinen der Industrie. Straub macht aber noch ein zweites gravierendes Problem der Branche aus: "Menschen erkennen unsere Gastro-Philosophie nicht mehr." Kaum einer sehe, welcher Arbeitsaufwand in der gehobenen Gastronomie geleistet werde. "Alle wollen toll essen, aber nicht dafür bezahlen."
Das könne nicht funktionieren: "Um mit einem gesunden Lebensmittel umzugehen, muss ich Profi sein." Das beginne bereits beim Einkauf. Immer öfter verzichte ein Gast auf Beratung, beschwere sich aber, wenn es nicht geschmeckt hat. Seit zehn Jahren sei diese Entwicklung zu beobachten. Uwe Straub warnt: "Eine Wüste kommt auf uns zu, wenn es kein Angebot mehr zwischen Gastro-Meile und Sterneküche gibt." Dann wird es schwierig, die Frage zu beantworten: "Wo feiern wir Omas 80. Geburtstag?"
Das Betriebsklima stimmt
Wenn alle Gastwirte kürzer treten: Wohin weichen die Gäste aus? Offenbar auch nach Botenheim. Im dortigen Adler hat Erich Rembold sogar die Öffnungszeiten erweitert. Seit zwei Jahren kocht er auch am Dienstag. Rembold profitiert von einer zuverlässigen Stammbelegschaft: Neben seiner großen Familie, die mit Sohn Jochen zwei Generationen umfasst, arbeiten einige Leute seit 25 Jahren im Adler. "Auch bei uns Ausgebildete, die fort waren, kehren wieder zurück."
Für den 69-Jährigen ist das die Bestätigung für ein gutes Betriebsklima. Dazu gehören faire Absprachen: "Wer abends arbeitet, hat am nächsten Mittag frei." Rembold, der die Probleme der Branche durchaus sieht, resümiert: "Der Laden läuft, aber wir haben bislang großes Glück gehabt."
Trend bundesweit erkennbar in Dehoga-Umfrage
Mit Einführung des Mindestlohns 2015 haben bundesweit Tausende Hotels und Restaurants ihr Angebot eingeschränkt, so eine Dehoga-Umfrage vom März. 54 Prozent der Betriebe reduzierten Öffnungszeiten. 50 Prozent schränkten Küchenzeiten, Speisekarte und Mittagstisch ein. 33 Prozent machen mehr Ruhetage. "Die Arbeitszeitdokumentation bringt uns enormen Aufwand", so Dehoga-Geschäftsführerin Ingrid Hartges. Ländliche Gastronomen beklagen Umsatzschwund. dpa
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